Replik mit Stil
Wenn die Berichterstattung über ein Amanda-Palmer-Konzert auf einen Busenblitzer reduziert wird, weiss die Sängerin zurückzuschlagen: Wortgewandt, witzig – und nackt.
Neulich, am Glastonbury Festival im Westen Englands: Auf einen der zahlreichen Bühnen tritt die Kultfigur Amanda Palmer mit Band auf. Palmer, die Anfangs 2000er als Frontfrau der Band The Dresden Dolls Berühmtheit erlangte, legt sich gehörig ins Zeug und liefert eine gewohnt energiegeladene Performance ab.
«Machte sich zur Titte» - so stand es in der «Mail».
Dear Daily Mail,
it has come to my recent attention
that my recent appearance at Glastonbury Festival kindly received a mention
I was doing a number of things on that stage up to and including singing songs (like you do ...)
but you chose to ignore that and instead you published a feature review of my boob.
Dear Daily Mail,
there's a thing called a search engine. Use it!
If you'd googled my tits in advance you'd have found that your photos are hardly exclusive.
In addition you state that my breast had escaped from my bra like a thief on the run.
How do you know that it wasn’t attempting to just take in the RARE british sun?
Dear Daily Mail,
it's so sad what you tabloids are doing.
Your focus on debasing women's appearances ruins our species of humans.
But a rag is a rag and far be it from me to go censoring anyone OH NO,
it appears that my entire body is currently trying to escape this kimono ...
Dear Daily Mail,
you misogynist pile of twats,
I'm tired of these baby bumps, vadge flashes, muffintops.
Where are the newsworthy COCKS?
If Iggy or Jagger or Bowie go topless the news barely causes a ripple
blah blah blah feminist blah blah blah gender shit blah blah blah
OH MY GOD NIPPLE!
Dear Daily Mail,
you will never write about this night.
I know that because I've addressed you directly I've made myself no fun to fight.
But thanks to the internet people all over the world can enjoy this discourse
and commune with a roomful of people in london who aren't drinking kool-aid like yours.
And though there be millions of people who'll accept the cultural bar where you have it at,
there are plenty of others who're perfectly willing to see breasts in their natural habitat.
I keenly anticipate your highly literate coverage of upcoming tours.
Dear Daily Mail,
UP YOURS.
Und so kann es geschehen, dass ab und an etwas verrutscht – ein BH, zum Beispiel. Grund genug für die britische «Daily Mail» daraus einen Aufmacher zu schreiben mit dem Titel «Making a boob of herself!» und «Amanda Palmers Brust entflieht ihrem BH, als sie auf der Bühne von Glastonbury auftritt».
Da hat sich die «Mail» aber mit der Falschen angelegt. Amanda Palmer beschloss, auf den Artikel zu reagieren mit einem offenen Brief - in Liedform. Live auf der Bühne. Nackt. Während ihres Konzerts am letzten Freitag in London kam das Publikum in den Genuss ihrer Replik. Zur Melodie von «Waltz for Eva & Che» (aus dem Musical «Evita») sang sie, anfangs noch in einem Kimono bekleidet, Folgendes:
Liebe Daily Mail
jüngst ist mir zu Ohren gekommen,
dass mein Auftritt am Glastonbury eine Erwähnung gefunden hat.
Ich habe auf der Bühne verschiedene Sachen getan, unter anderem Lieder gesungen (wie man das halt so macht).
Doch ihr habt beschlossen dies zu ignorieren und stattdessen eine grosse Kritik über meine Titte zu schreiben.
Liebe Daily Mail
Es gibt so was wie Such-Tools – benutzt sie!
Hättet ihr im Vornherein meine Titten gegoogelt, hättet ihr gemerkt, dass eure Fotos keineswegs exklusiv sind.
Zusätzlich behauptet ihr, meine Brust wäre meinem BH entflohen – wie ein Dieb auf der Flucht.
Wie könnt ihr wissen, dass sie sich nicht einfach ein bisschen von der raren britischen Sonne sehen wollte?
Liebe Daily Mail
Es ist so traurig, was der Boulevard anstellt.
Euer Fokus darauf, Frauen aufgrund ihrer Erscheinung herabzuwürdigen, ruiniert unsere gesamte Spezies.
Doch ich will in keinster Weise Zensur ausüben, oh nein.
Es erscheint, als wolle mein ganzer Körper diesem Kimono entfliehen.
(Worauf Amanda ihr Kimono ablegt und fortan nackt auf der Bühne steht. Dem kreischenden Publikum entgegnet sie mit den Worte, «Beruhigt euch, es ist nur eine nackte Frau!»)
Liebe Daily Mail
Ihr Haufen frauenfeindlicher F*tzen.
Ich habe die Babybäuchlein, Mumu-Blitzern und Speckröllchen satt.
Wo sind die berichtswerten Schwänze?
Wenn Iggy oder Jagger oder Bowie mal oben ohne sind, berichtet niemand.
Blablabla feministisch blablabla Genderquatsch blablabla OMG eine Brustwarze!
Liebe Daily Mail
Ihr werdet niemals über diesen Abend berichten.
Ich weiss, weil ich euch direct angesprochen habe, macht es nun keinen Spass, gegen mich zu kämpfen.
Aber dem Internet sei Dank können nun Leute auf der ganzen Welt diesem Diskurs beiwohnen
Und sich mit einem Raum voller Leute in London austauschen, die nicht Vorgekautes fressen wollen wie ihr es tut.
Und obwohl es Millionen Menschen gibt, die eure Grenzen akzeptieren,
gibt es mehr als genug andere, die Brüste in ihrem natürlichen Lebensraum sehen wollen.
Ich freue mich schon auf eure kundige Berichterstattung über zukünfitgen Konzerten.
Liebe Daily Mail
SCHIEBT SIE EUCH IN EUREN ...
Und siehe da - Amanda Palmer sollte mit ihrer Prognose Recht behalten: Das Video wurde bisher 500'000 mal angeklickt. Eine Antwort der «Daily Mail» steht bis heute aus.
http://blog.amandapalmer.net/20130713/
picture from glastonbury, via @michaeleast