Der Vatikan am Abgrund, aber die Schweizergarde steht ihren Mann
In der Not frisst die Kirche auch Ketzer: Nach «The Da Vinci Code» hat der Amerikaner Ron Howard jetzt Dan Browns früheren Roman «Angels & Demons» verfilmt.
Schnitzeljagd auf illuminatisch: Robert Langdon (Tom Hanks) rettet Vatikan mitsamt Hochwürden. Bild: PD
Dass Jesus nicht unberührt in den Himmel fuhr, sondern mit Maria Magdalena Kinder hatte; und dass das heilige Blut heute noch in der weiblichen Erblinie fliesst, das hat in «The Da Vinci Code», dem Roman (2003) und seiner Verfilmung (2006), einige heilsgeschichtliche Dogmen erschüttert. Der amerikanische Symbologe Robert Langdon (Tom Hanks) hat dort aus Leonardos «Abendmahl» die unkatholische Wahrheit gelesen und alles ausgebracht. Deshalb lieben sie ihn im Vatikan nicht. Aber gegen die Gefahr, die jetzt in «Angels & Demons» vom Geheimbund der Illuminaten ausgeht, ist die Frage nach dem Weiblichkeitsanteil Gottes wirklich eine theologische Nebensache.
Im Film von Ron Howard geht es ans Existenzielle: Vier Kardinäle, alles Anwärter auf den gerade vakanten Papstthron, liegen offenbar schon in Illuminatenketten; in einer vatikanischen Krypta destabilisiert sich langsam ein in Genf gestohlenes Viertelgramm Antimaterie; eine Stimme raunt auf Illuminatisch düstere Lyrik von Rache und Untergang. Und in solcher Not frisst die Kirche natürlich ketzerische Akademiker und holt sich den Professor Langdon direkt aus dem Swimmingpool.
Ehrgeizig und eitel
Professor Langdon kennt sich nämlich auch mit den Illuminaten aus. Diese aufgeklärten Geheimnistuer mindestens seit dem 16. Jahrhundert (wir wollen uns hier an die verschwörungstheoretische Legende halten) verbergen die antikatholische Bitterkeit im Herzen gern hinter Bilder- und Symbolrätseln. Als Erben einer oft hingemordeten Vernunft haben sie legitime Gründe für eine naturwissenschaftliche Rache, aber halt einfach inakzeptable Methoden. Wo es sich darum handelt, Kirchenfürsten die Symbole der vier Elemente in die Brust zu brennen und aus dem Vatikan ein schwarzes Loch zu machen, hört der konspirative Spass ja weiss Gott auf.
Die illuminatische Schwäche hingegen scheint ein ausgesprochen sportiver Ehrgeiz zu sein, gewissermassen eine rationale Eitelkeit im geheimbündlerischen Mystizismus. Die Verschwörer legen Spuren zu sich selbst und reduzieren so ganz eigentümlich ihren Vorsprung im Klandestinen. So etwas geht selbstverständlich und leider nur unter den Bedingungen der Kinologik; was er an Spannung zu bieten hat, zieht Ron Howards Film allein daraus: ob die Illuminaten nicht am Ende ihre apokalyptische Rechnung ohne den Langdon gemacht haben, der wirklich ziemlich gut darin ist, blitzschnelle Verbindungen herzustellen zwischen Galieo Galilei und einem Gedicht von John Milton, zwischen dem Vers und dem Westwind, zwischen dem Wind und dem Petersdom und zwischen der heiligen Theresa und einem angezündeten Kardinal.
Es herrscht in «Angels & Demons» die Stimmung eines sanften symbologischen Unsinns; man merkt das nur nicht gleich dank dem Tempo, mit dem uns die Zeichen um die Ohren gehauen werden, dass es nur so rauscht. Und merkt es dann doch. Das ist einerseits das Harmlose und Unapokalyptische an solchen Verschwörungsfilmen und andererseits das dramatische Problem dieses einen. Er ist im Unsinn einfach zu unoriginell. Nicht weil Dan Browns Roman «Angels & Demons» (2000) vor «The Da Vinci Code» (2003) erschienen ist und die Verfilmung eine Vorgeschichte nun etwas gewaltsam zur Fortsetzung macht; das funktioniert. Sondern weil die filmische Fantasie keinen Fortschritt gemacht hat.
So eine Papstwahl ist immer schön
Insgesamt und einmal abgesehen von der wirksam inszenierten Würde höchstklerikaler Rituale (es findet unter anderem ein Konklave statt; das macht sich bildlich immer hervorragend, man weiss das, seit Anthony Quinn 1968 in «The Shoes of the Fisherman» zum Papst gewählt wurde): Der Professor Langdon muss auf einer Zeichenspur durch Grabstätten und Kirchen hetzen zur Rettung der Christenheit. Ihm beigesellt ist die attraktive Biophysikerin Vittoria Vetra (Ayelet Zurer), zuständig für die naturwissenschaftlichen Informationen und die entsprechenden apokalyptischen Berechnungen.
Das ist die gleiche mechanische Schnitzeljagd eines Zeichen deutenden Pfadfinders wie schon im «Da Vinci Code». Die gleiche Stationen-Dramaturgie der Welträtsellösung, einfach ohne die ironischen Überraschungen der früheren Gralssuche. Die Umständlichkeit des erklärenden Dialogs, die besonders mühsam ist, wenn zwei sich erzählen, was beide schon wissen.
Ein anständiger Job
Ferner, in besinnlichen Pausen und weil «Angels & Demons» ja an der kanonischen Quelle spielt und daraus schöpft, öffnen zum Beispiel der alte Kardinal Strauss (Armin Mueller-Stahl) oder der Camerlengo Patrick McKenna (Ewan McGregor), also der päpstliche Kämmerer und das administrative Kirchenoberhaupt in der papstlosen, schrecklichen Zeit, ihr theologisches Bündelchen. Der Diminutiv ist berechtigt. Was für eine Instant-Metaphysik und geradezu gefriergetrocknete, in ein bisschen Rhetorik lösbare Philosophie! Es ist eine Qual, die geradezu illuminatische Reflexe auslöst.
Das Ende allerdings ist unerwartet raffiniert. Aber die wirklich gute Nachricht ist, dass die päpstliche Schweizergarde – besonders ihr schwarzkatholischer Kommandant (Stellan Skarsgård) – alles in allem einen sehr anständigen Job macht. Wahrscheinlich war sie im Kino nie mehr so aktiv, seit Hannes Schmidhauser in Franz Schnyders «Zwischen uns die Berge» (1956) ein frommer Gardist und braver Eidgenoss wurde.
Der Film
Angels & Demons (USA 2009). 138 Minuten. Regie: Ron Howard. Mit: Tom Hanks, Ayelet Zurer, Ewan McGregor, Armin Mueller-Stahl, Stellan Skarsgård u. a.