Die Cinémathèque Suisse steht vor einer Herausforderung: Ältere, analoge Filme müssen digitalisiert werden – und digitale Filme wiederum sollen auch auf Bänder gezogen werden, denn: Die Computer-Technik sei zu unsicher. Doch der Aufwand dafür ist teuer und stellt die Cinémathèque vor grosse Fragen.
Eine undatierte Aufnahme zeigt die alte Cinémathèque Suisse, das filmische Gedächtnis der Schweiz. (Keystone)
Wir kennen das von unserem Computer zuhause: Wir schieben Urlaubsfotos hin und her und nach einem Update sind sie plötzlich alle futsch. Das ist ärgerlich. Für ein Filmarchiv wäre so etwas schlicht verheerend.
Internationale Filmarchive diskutieren deshalb darüber, jeden Film doppelt zu lagern. Einmal digital, damit er auch zukünftig in den digital ausgestatteten Kinos laufen kann. Und analog, damit das Film-Erbe gut und sicher archiviert ist.
Von Sicherheit kann beim Speichern auf Festplatten nicht die Rede sein, es fehlen Erfahrungswerte. In der Schweiz brach das digitale Zeitalter in den Kinosälen erst 2009 mit dem Film Avatar an. Der Präsident der Cinémathèque Suisse, Frédéric Maire, hat darum wenig Vertrauen in die neuen Speichermedien: «Die Filmrolle ist eine Technologie, die wir kennen, mit der wir seit über 100 Jahren umgehen. Mit der digitalen Technologie ist das nicht der Fall.»
Cinémathèque Suisse: Das Filmerbe der Schweiz
Im neuen Gebäude der Cinémathèque – in der das Schweizer Filmarchiv untergebracht ist – lagern 80‘000 Filme auf drei Untergeschosse verteilt. Die ältesten Streifen sind ganz unten; da ist es am kältesten, da halten sie sich am längsten. Im ersten Untergeschoss lagert zwischen einem Wirrwarr aus Drähten ein Server. «Hier sind die neuesten Filme abgespeichert, jene, die digital produziert wurden», erklärt der Chef-Archivar der Cinémathèque Suisse Michel Dind– das sind rund 1000 Filme.
Das ist wenig im Vergleich zu den vielen Tausend Filmrollen, die sich eine Etage weiter unten bei 16 Grad Celsius stapeln. Die Cinémathèque archiviert nicht nur Schweizer Filme, sondern nahezu alle Filme, die je in der Schweiz gezeigt wurden. Und jeden einzelnen Film in sechsfacher Ausführung, erklärt Michel Dind. Gerade die Untertitel in drei Sprachen machen diese Kopien erhaltenswert.
Nicht anfassen – Streifen aus dem Jahr 1896
Doch die wahren Schätze des Filmarchivs sind ein Stockwerk weiter unten gelagert, bei fünf Grad Celsuis. In einem Raum, der einem grossen Kühlschrank gleicht, befinden sich Originalkopien von Schweizer Filmen: Da liegen die wöchentlichen Nachrichtenrückblicke, die von 1940 bis 1975 in den Kinos gezeigt wurden und sogar ein Filmstreifen aus dem Jahr 1896.
Berührt werden dürfen sie nicht, sie müssen für die Ewigkeit in einer Schachtel ruhen. Filme, die nicht gezeigt werden dürfen, das sei ein Widerspruch, räumt Michel Dind ein. Aber nur so könne man sie erhalten.
Digitale Filme für die Ewigkeit speichern?
So müsse es auch mit den neueren, digitalen Filmen gemacht werden, sagt Michel Dind. Sie müssen auf Filmstreifen gezogen werden, denn von Bändern wisse man, dass sie 100 Jahre halten. Das könne man von der Computer-Technik nicht behaupten.
Der Präsident der Cinémathèque ist ebenfalls der Meinung, dass zumindest die neuen Schweizer Filme nicht nur digital, sondern auch analog gelagert werden sollten. «Alle fünf oder sechs Jahre müssen die Daten in ein neues System migriert werden. Und jedes Mal ist das ein Risiko», so Frédéric Maire. Ausserdem sei dieses Risiko teuer. Alle zehn Jahre müsse ein neues System angeschafft werden.
Einfach verzichten kann die Cinémathèque nicht auf die Lagerung digitaler Datenträger. Denn damit man die Filme auch weiterhin im Kino sehen kann, müssen sie digital vorhanden sein: Kaum ein Kino in der Schweiz besitze noch die alten Filmprojektoren.
Neueröffnung des Archivs verschoben
Die Digitalisierung stellt das Archiv der Cinémathèque vor grosse Fragen – und Entscheidungen. Die Finanzierung des aufwendigen Prozesses ist noch nicht geklärt. Das Bundesamt für Kultur (BAK) hat der Cinémathèque sechs Millionen Franken zugesichert. Allerdings wurden die bereits für den Neubau der Cinémathèque bewilligt. Extra Geld für die Archivierung gibt es also eigentlich nicht. Das aber fordert der Präsident Frédéric Maire. Elf Millionen benötige die Cinémathèque, ansonsten müsse sie auf gewisse Tätigkeiten verzichten.
Darin sieht das BAK die Lösung: Die Cinémathèque müsse stärker priorisieren. Und selbst entscheiden, wofür das Geld eingesetzt wird: entweder für den Bau oder für die Archivierung.