IT-Albtraum
Andreas Hentschel will im Web legal Musik laden oder Filme gucken. Warum muss er dazu Ami werden?
Als Musikfreund liebe ich amerikanische Webdienste wie AmazonMP3, Rhapsody und Pandora. Da gibt es Musik umsonst, oder sie kostet nicht mal halb so viel wie hierzulande bei Musicload und iTunes. Und grundsätzlich gibt es bei den US-Stores MP3s ohne Kopierschutz und in sehr guter Qualität. Ein Traum.
Sobald ich allerdings auf die Angebote zugreifen will, hat es sich ausgeträumt. Der Service ist nur für US-Kunden verfügbar, werde ich mit amerikanischer Höflichkeit abgewimmelt: "We apologize for any inconvenience!" Das gilt auch bei YouTube seit kurzem laufenden Spielfilme und die TV-Serien auf Hulu.com. Bin ich als Nicht-Ami nur ein Internetnutzer zweiter Klasse?
Ja, aber der Aufstieg in die Erstklassigkeit kann nicht so schwer sein. Mein technischer Sachverstand sagt mir, dass Amazon & Co. anhand der IP-Adresse wissen, woher ich komme. Ein anonymisierender Proxy müsste dem Geo-Filter also ein Schnippchen schlagen. Google spuckt auf Anfrage tausende IP-Adressen solcher Server aus, ich muss nur eine aus den USA raussuchen und im Browser eintragen. Das ist leicht gesagt als getan - bringt nur nichts. Entweder funktionieren die Proxys gar nicht oder sind so langsam, dass ein Musik-Download ein halbes Erdenzeitalter dauern würde. Etwas besseres muss her.
Und ich finde was: Hotspot Shield. Ein VPN-Tunnel in die USA, kostenlos, eigentlich gedacht, um sicherer in öffentlichen WLANs zu surfen, doch für meine Zwecke auch zu gebrauchen. Installiert, aktiviert, funktioniert: Ich habe eine amerikanische IP. Für Pandora, YouTube und Hulu bin ich kein Illegaler mehr. Auch Musik kaufen bei Rhapsody klappt. Beim zahlen mit der Kreditkarte muss ich nur bei der Rechnungsadresse mogeln. Ich wohne nun in New York, in der 5th Avenue, ZIP-Code, verrät Google, 10020.
Amazon aber kauft mir meine neue Identität nicht ab. Ich will mit Kreditkarte zahlen, die ist von einem deutschen Bankinstitut, was die Amazon-Kontroll-Software gleich merkt. Doch die künstliche Intelligenz zu linken, ist ein Kinderspiel. Sie verbietet mir ja nur das Kaufen von Musik-Downloads - nicht aber das anderer Dinge. Also kaufe ich einen Geschenkgutschein. Den löse ich sodann in meinem US-Account ein - und schmeisse meine verräterische deutsche Kreditkarte aus den Zahlungsarten raus. Nun hält mich auch Amazon für einen Amerikaner. Yes, I am!