Julian Assange bekam Recht, weil die schwedische Untersuchung gegen ihn korrupt war. Die Staatsanwältin Marianne Ny hat die Justiz behindert und sie sollte angeklagt werden. Ihre Besessenheit mit Assange hat nicht nur ihre Kollegen und die Justiz beschämt, sondern hat auch die geheimen Absprachen des schwedischen Staats mit den Vereinigten Staaten bei deren Kriegsverbrechen und „Auslieferungen“ aufgedeckt.
Hätte Assange nicht in der ecuadorianischen Botschaft in London Zuflucht gesucht, dann wäre er in einer amerikanischen Foltergrube gelandet, so wie es Chelsea Manning ergangen ist.
Diese Aussicht wurde durch die düstere Schmierenkomödie verdunkelt, die sich in Schweden abgespielt hat.
„Das ist eine Lachnummer,“ sagte James Catlin, einer von Assanges australischen Anwälten. „Es sieht aus als würden sie sich das einfach so ausdenken.“
So sah es vielleicht aus, aber da steckte immer eine ernsthafte Absicht dahinter. Ein geheimes Pentagon-Papier von 2008, ausgearbeitet vom „Cyber Counterintelligence Assessments Branch“, spricht bereits von detaillierten Plänen zur Verleumdung von WikiLeaks und einer persönlichen Schmutzkampagne gegen Assange.
Der „Auftrag“ war, das „Vertrauen“ zu zerstören, welches der „Schwerpunkt“ von WikiLeaks sei. Das würde man mit Drohungen einer „Entblößung (und) kriminellen Verfolgung“ erreichen. Eine so unberechenbare Quelle der Wahrheitsverbreitung zum Schweigen zu bringen und zu kriminalisieren, das war das Ziel.
Man kann das vielleicht sogar nachvollziehen. WikiLeaks hat aufgedeckt, wie Amerika viele der Angelegenheiten der Menschheit dominiert, einschließlich ihrer epischen Verbrechen, insbesondere in Afghanistan und im Irak: das massenhafte Abschlachten von Zivilisten und die Verachtung für Souveränität und internationales Recht.
Solche Enthüllungen sind durch den Ersten Verfassungszusatz der US-Verfassung geschützt. Als Kandidat hat Barack Obama (Professor für Verfassungsrecht) 2008 die Whistleblower als „Teil einer gesunden Demokratie“ gelobt und sie müssten „vor Vergeltungsmaßnahmen geschützt werden.“
2012 prahlte das Wahlkampfteam Obamas auf seiner Webseite damit, dass Obama in seiner ersten Amtszeit mehr Whistleblower angeklagt hätte als alle anderen US-Präsidenten zusammen. Bevor Chelsea Manning überhaupt ein Gerichtsverfahren bekam, da hatte sie Obama bereits öffentlich für schuldig erklärt.
Sollten sich die USA Julian Assanges bemächtigen, so zweifeln wenige ernsthafte Beobachter daran, dass ihn ein ähnliches Schicksal erwarten würde. Gemäß Dokumenten von Edward Snowden ist er auf einer „Menschenjagd-Liste“. Drohungen über seine Entführung und Ermordung wurden fast politisch und der Medien-Strom folgte den grotesken Vorwürfen des damaligen Vizepräsidenten Joe Biden, der WikiLeaks-Gründer wäre eine „Cyber-Terrorist“.
Hillary Clinton, die Zerstörerin Libyens und, wie WikiLeaks letztes Jahr enthüllte, die heimliche Unterstützerin und persönliche Profiteurin der Handlanger von ISIS, hatte ihre eigene schnelle Lösung: „Können wir den Kerl nicht einfach bedrohnen?“
Nach australischen diplomatischen Depeschen ist Washingtons Sehnsucht nach Assange „beispiellos in Ausmaß und Natur“. In Alexandria, Virginia, versucht eine geheime Jury seit fast sieben Jahren, ein Verbrechen zu konstruieren, für das man Assange anklagen könnte. Das ist nicht leicht.
Der Erste Verfassungszusatz schützt Herausgeber, Journalisten und Whistleblower, egal ob es der Herausgeber von WikiLeaks ist oder der von der New York Times. Der ureigene Gedanke der Meinungsfreiheit ist als Amerikas „Gründungs-Tugend“ definiert, oder wie es Thomas Jefferson nannte, „unsere Währung“.
Angesichts dieser Hürde hat das US-Justizministerium Anklagen wegen „Spionage“, Verschwörung zur Spionage“, „Konversion“ (Diebstahl von Regierungseigentum) „Computer-Vergehen und Missbrauch“ (Computer-Hacking) und genereller Verschwörung konstruiert. Der bevorzugte „Espionage Act“, der zur Abschreckung von Pazifisten und Gewissensgegnern gegen den Ersten Weltkrieg gedacht war, sieht lebenslange Strafe und die Todesstrafe vor.
Die Fähigkeit Assanges, sich in so einer Kafkaesken Welt selbst zu verteidigen, wurde schwer geschädigt, da die USA diesen Fall zu einem Staatsgeheimnis erklärt haben. 2015 hat ein Bundesgericht in Washington die Herausgabe von Informationen über die Untersuchung gegen WikiLeaks wegen „nationaler Sicherheit“ blockiert. Denn es sei ein aktuelles und laufendes Verfahren, dass den „laufenden Untersuchungen“ zu Assange schaden würde. Die Richterin Barbara Rosenstein sagte, es sein nötig, „eine angemessene Hochachtung vor der Exekutive in dieser Angelegenheit nationaler Sicherheit“ zu zeigen. Das nennt man ein Scheingericht.
Für Assange war der Prozess ein Prozess der Medien. Am 20. August 2010, als die schwedische Polizei eine „Vergewaltigungs-Ermittlung“ eröffnete, da haben sie das – ungesetzlich -- mit Stockholmer Boulevardblättern koordiniert. Die Titelseiten sagten, Assange werde wegen der „Vergewaltigung zweier Frauen“ angeklagt. Das Wort „Vergewaltigung“ kann in Schweden rechtlich eine ganz andere Bedeutung als in Großbritannien haben; eine bösartige falsche Realität wurde zu einer Nachricht, die um die ganze Welt ging.
Weniger als 24 Stunden später übernahm Stockholm oberste Staatsanwältin Eva Finne die Untersuchung. Sie hat keine Zeit vergeudet, hob den Haftbefehl auf und sagte:
„Ich glaube nicht dass es einen Grund gibt anzunehmen, dass der Verdächtige eine Vergewaltigung begangen hat.“ Vier Tage später ließ sie die Untersuchung zur Vergewaltigung ganz fallen und sagte: „Es gibt keinen Verdacht für irgendein Vergehen.“
Auftritt Claes Borgström, eine höchst umstrittenen Person in der Sozialdemokratischen Partei, der damals als Kandidat bei den anstehenden Wahlen fungierte. Wenige Tage nach der Ablehnung des Falls durch die Chefanklägerin kündigte Borgstrom, ein Anwalt, den Medien an, dass er die zwei Frauen vertreten werde und einen anderen Ankläger in Göteborg aufsuchen werde. Und das war Marianne Ny, die Borgström gut kannte, persönlich und politisch.
Am 30. August erschien Assange freiwillig in einer Polizeistation in Stockholm und antwortete auf die ihm gestellten Fragen. Er sah das als das Ende der Angelegenheit an. Zwei Tage später eröffnete Ny den Fall erneut.
Auf einer Pressekonferenz wurde Borgström von einem Reporter gefragt, warum der Fall weitergeht wo er doch bereits abgelehnt worden war. Der Reporter zitierte eine der Frauen, die sagte, sie sei nicht vergewaltigt worden. Er antwortete: „Ja, aber sie ist keine Anwältin.“
An dem Tag an dem Marianne Ny den Fall wieder auflegte, hat der Chef des schwedischen Militär-Geheimdienstes – der das Akronym MUST trägt – öffentlich in einem Artikel WikiLeaks beschuldigt „WikiLeaks (ist) eine Gefahr für unsere Soldaten (unter dem US-Kommando in Afghanistan).“
Sowohl der schwedische Premierminister als auch der Außenminister haben Assange angegriffen, der für kein Verbrechen angeklagt war. Assange wurde gewarnt, dass dem schwedischen Geheimdienst SAPO von seinen US-Kollegen gesagt wurde, dass der Austausch von US-schwedischen Geheimdienstinformationen „zum Erliegen kommt“, falls Schweden ihn schütze.
Fünf Wochen lang wartete Assange in Schweden darauf, dass die erneute „Vergewaltigungs-Untersuchung“ ihren Lauf nimmt. Der Guardian stand vor der Veröffentlichung der irakischen „Kriegstagebücher“, basierend auf den Enthüllungen von WikiLeaks, die Assange in London beaufsichtigen wollte.
Schließlich erlaubte man ihm die Ausreise. Sobald er ausgereist war, gab Marianne Ny einen europäischen Haftbefehl gegen ihn heraus und einen „roten Alarm“ bei Interpol, der normalerweise für Terroristen und gefährliche Kriminelle verwendet wird.
Assange erschien vor einer Polizeistation in London, wurde pflichtgemäß verhaftet und verbrachte zehn Tage im Wandsworth-Gefängnis, in Einzelhaft. Mit einer Kaution von 340.000 Pfund und einer elektronischen Fußfessel wurde er freigelassen, musste sich täglich bei der Polizei melden und wurde praktisch unter Hausarrest gestellt, während sein Fall den langen Gang bis zum Obersten Gericht ging.
Noch immer ist er nicht für ein Vergehen angeklagt worden. Seine Anwälte haben sein Angebot wiederholt, in London befragt zu werden, per Video oder persönlich, mit dem Hinweis dass Marianne Ny ihm die Erlaubnis zur Ausreise aus Schweden erteilt habe. Sie schlugen eine spezielle Einrichtung bei Scotland Yard vor, die für solche Zwecke von schwedischen und anderen europäischen Behörden verwendet wird. Sie hat abgelehnt.
Seit fast sieben Jahren weigert sich Ny, während Schweden 44 Menschen in Großbritannien im Zusammenhang mit polizeilichen Ermittlungen verhören ließ, Assange zu befragen, und so geht ihr Fall weiter.
In der schwedischen Presse schrieb ein ehemaliger schwedischer Staatsanwalt, Rolf Hillegren, und beschuldigte Ny, sie würde jede Unparteilichkeit verlieren. Er beschrieb ihr persönliches Engagement in den Fall als „abnormal“ und verlangte ihre Absetzung.
Assange bat die schwedischen Behörden um eine Garantie, dass er nicht an die USA „überstellt“ würde, falls er nach Schweden ausgeliefert wird. Das wurde abgelehnt. Im Dezember 2010 deckte der Independent auf, dass die zwei Regierungen seine zukünftige Überstellung an die USA diskutiert haben.
Im Widerspruch zu seinem Ruf als ein Bollwerk der liberalen Aufklärung ist Schweden so nahe an die USA herangerückt, dass es Washington geheime CIA-“Auslieferungen“ erlaubt hat – einschließlich der illegalen Deportation von Flüchtlingen. Die Auslieferung und anschließende Folter zweier ägyptischer politischer Flüchtlinge 2001 wurde vom UN-Komitee gegen Folter, Amnesty International und Human Rights Watch verurteilt; die Komplizenschaft und Doppelzüngigkeit des schwedischen Staats wurde in erfolgreichen Zivilprozessen und WikiLeaks-Veröffentlichungen dokumentiert.
Dokumente, die nach dem Umzug Assanges nach London veröffentlicht wurden, zeigen eindeutig, dass Schweden in Sachen der Bürgerrechte ständig dem Druck der Vereinigten Staaten nachgegeben hat,“ schrieb Al Burke, der Herausgeber der online-Publikation Nordic News Network, eine Kapazität zu den irren Verwicklungen und Gefahren, vor denen Assange steht. „Es gibt reichlich Grund zu der Befürchtung, dass Assange bei einer Festnahme durch schwedische Behörden ohne Betrachtung seiner gesetzlichen Rechte an die USA ausgeliefert werden könnte.“
Der Krieg gegen Assange heizte sich auf. Marianne Ny verweigerte seinen schwedischen Anwälten und den schwedischen Gerichten den Zugang zu Hunderten von SMS, die die Polizei aus dem Handy einer der beiden in die „Vergewaltigungs“-Vorwürfe verwickelten Frauen einzusehen.
Ny sagfte, sie sei gesetzlich nicht dazu verpflichtet, diese bedeutsamen Beweise offenzulegen, bis eine formelle Anklage erhoben wurde und sie ihn befragt habe. Nun, warum hat sie ihn nicht befragt? Catch-22.
Als sie letzte Woche ankündigte, dass sie den Fall Assange fallen lassen werde, da hat sie nicht erwähnt, welcher Beweis den Fall zerstören würde. Eine der SMS-Botschaften zeigt, dass eine der Frauen nicht wollte, dass gegen Assange irgendwelche Anklagen gemacht werden, „aber die Polizei war scharf darauf, seiner habhaft zu werden“. Sie war „schockiert“ dass man ihn verhaftet habe, denn sie wollte nur, dass er „(einen HIV)-Test macht“. Sie „wolle JA wegen nichts beschuldigen“ und „es war die Polizei, die sich diese Anklagen ausgedacht hat“. In einer Zeugenaussage wird sie zitiert, sie habe gesagt, dass sie „von der Polizei und Anderen um sie herum dazu angestachelt worden sei.“
Keine der Frauen behauptete, sie seien vergewaltigt worden. Tatsächlich haben beide verneint, dass sie vergewaltigt wurden und eine von ihnen hat seither getwittert: „Ich wurde nicht vergewaltigt“. Die Frauen wurden von der Polizei manipuliert – was auch immer ihre Anwälte jetzt behaupten. Auch sie sind gewiss Opfer dieser düsteren Saga.
Katrin Axelsson und Lisa Longstaff von „Women Against Rape“ schrieben:
„Die Anschuldigungen gegen (Assange) sind ein Vorwand, den eine Reihe von Regierungen benutzen, um WikiLeaks fertig zu machen, die es gewagt hatten, der Öffentlichkeit deren geheimen Kriegs- und Besatzungspläne mit den dazugehörigen Vergewaltigungen, Morden und der Zerstörung mitzuteilen... Die Behörden kümmern sich so wenig um Gewalt gegen Frauen, dass sie Vergewaltigungsvorwürfe nach Belieben manipulieren. (Assange) hat deutlich gemacht, dass er zu einer Befragung durch schwedische Behörden bereit ist, in Großbritannien oder via Skype. Warum verweigern sie sich diesem wichtigen Schritt in ihren Untersuchungen? Wovor haben sie Angst?“
Assange stand vor einer schweren Entscheidung: Auslieferung in ein Land, das sich weigerte zu sagen, ob man ihn an die USA ausliefern würde, oder seine anscheinend letzte Gelegenheit zu Zuflucht und Sicherheit zu nutzen.
Mit der Unterstützung der meisten Lateinamerikanischen Länder gewährte ihm das winzige Ecuador Flüchtlingsstatus auf der Grundlage, dass er vor einer grausamen und ungewöhnlichen Bestrafung in den USA stand; dass diese Bedrohung seine einfachen Menschenrechte verletzt; und dass seine eigene Regierung in Australien ihn verlassen und sich mit Washington verschworen habe.
Die Labor-Regierung der damaligen Premierministerin Julia Gillard drohte sogar damit, ihm seinen australischen Pass zu entziehen – bis man ihr mitteilte, dass das ungesetzlich ist.
Der bekannte Anwalt für Menschenrechte, Gareth Peirce, der Assange in London vertritt, schrieb dem damaligen australischen Außenminister Kevin Rudd:
„Angesichts des Ausmaßes der öffentlichen Diskussion, regelmäßig auf der Basis völlig falscher Vermutungen … ist es äußerst schwierig, für ihn die Unschuldsvermutung aufrecht zu halten. Mr. Assange hat jetzt nicht ein, sondern zwei Damokles-Schwerter über sich hängen, die mögliche Auslieferung an zwei andere Rechtsräume aufgrund von zwei unterschiedlichen vermuteten Vergehen, wovon keines in seinem eigenen Land ein Vergehen ist, und dass sein persönliche Sicherheit durch Umstände in Gefahr ist, die politisch höchst aufgeladen sind.“
Erst als sie die Oberste Australische Vertretung in London kontaktiert hatte, bekam sie eine Antwort, die keine der von ihr aufgeworfenen drängenden Fragen beantwortete. Bei einem Treffen mit ihr und dem australischen Generalkonsul Ken Pascoe machte der die erstaunliche Aussage, dass er über den Fall nur das wüsste, „was ich in den Zeitungen gelesen habe.“
2011 verbrachte ich in Sydney einige Stunden mit dem konservativen australischen Parlamentsabgeordneten Malcolm Turnbull. Wir diskutierten die Gefahren für Assange und die weiteren Auswirkungen für die Meinungsfreiheit und das Recht und warum Australien verpflichtet sei zu ihm stehen. Damals hatte Turnbull einen Ruf als Anwalt für die Meinungsfreiheit. Heute ist er Premierminister von Australien.
Ich gab ihm den Brief von Gareth Peirce über die Gefahr für Assanges Rechte und Leben. Er sagte, die Situation sei eindeutig abstoßend und er würde es gegenüber der Gillard-Regierung vorbringen. Danach folgte nur sein Schweigen.
Seit nahezu sieben Jahren wird diese epische Missgeburt der Justiz in einer Schmähkampagne gegen den WikiLeaks-Gründer ertränkt. Es gibt wenig Vergleichbares. Zutiefst persönliche, kleinkarierte, bösartige und unmenschliche Attacken wurden gegen einem Mann gestartet, dem kein Verbrechen vorgeworfen wird, der aber dennoch eine Behandlung erfährt, die nicht einmal ein Mensch erfährt, der vor einer Auslieferung steht, weil man ihm die Ermordung seiner Frau vorwirft. Dass die Drohung an Assange auch eine Drohung an alle Journalisten und das Grundrecht der Meinungsfreiheit ist, das ging im Schäbigen und Ambitionierten unter. Ich möchte es Anti-Journalismus nennen.
Bücher wurden auf dem Rücken von WikiLeaks veröffentlicht, Verfilmungsrechte ausgehandelt und Medienkarrieren gestartet oder finanziert und es wurde salonfähig, Assange anzugreifen und anzunehmen er sei zu arm um sich zu wehren. Menschen haben damit Geld, oft sehr viel Geld, verdient und WikiLeaks kämpft ums Überleben.
Der vorherige Chefredakteur des Guardian, Alan Rusbridger, nannte die WikiLeaks-Enthüllungen, die seine Zeitung veröffentlicht hat, „eine der größten journalistischen Sensationen der letzten 30 Jahre“. Aber dennoch gab es keine Versuch, den Lieferanten und die Quelle zu beschützen. Stattdessen wurde die „Sensation“ zu einem Teil eines Marketing-Feldzug für eine Preiserhöhung der Zeitung.
Nicht ein Pfennig ging an Assange oder WikiLeaks, als ein hochgejubeltes Guardian-Buch zu einem lukrativen Filmdeal führte. Die Buchautoren Luke Harding und David Leigh beschreiben Assange unnötigerweise als „gestörte Persönlichkeit“ und „kaltschnäuzig“. (Anm.d.Ü. Luke Harding könnte mit Vornamen auch „Julian“ heißen ;) Sie haben auch das geheime Passwort veröffentlicht, mit dem er die Papiere vertraulich machte. Das sollte die digitalen Daten schützen, die Email-Depeschen der US-Botschaft enthielten. Als Assange in der ecuadorianischen Botschaft gefangen war, stand Harding draußen unter den Polizisten und prahlte auf seinem Blog: „Scotland Yard könnte zuletzt lachen“.
Journalismus-Studenten könnten einst diese Periode studieren, um die am meisten verbreitetsten Quellen von „Fake News“ zu verstehen – eine falsch verstandene Seriosität, die sich die Medien selbst andichten und als verlängerter Arm jener Behörden und Mächte, die sie hofieren und schützen.
Eine Unschuldsvermutung stand nicht zur Debatte als 2010 Kirsty Wark ihre denkwürdige Live-Befragung durchführte:
„Warum entschuldigen Sie sich nicht einfach bei den Frauen?“ wollte sie von Assange wissen, gefolgt von: „Haben wir Ihr Ehrenwort dass Sie nicht heimlich davonlaufen?“
In der BBC-Sendung „Today“ bellte John Humphrys:
„Sind Sie ein sexuelles Raubtier?“
Assange antwortete, die Unterstellungen seien lächerlich, woraufhin Humphrys wissen wollte, mit wie vielen Frauen er geschlafen habe.
„Würde sich Fox News auf so ein Niveau herablassen?“ wunderte sich der amerikanische Historiker William Blum. „Ich wünschte, Assange wäre auf den Straßen von Brooklyn aufgewachsen, so wie ich. Dann wüsste er nämlich, wie man auf so eine Frage antwortet: „Sie meinen einschließlich Ihrer Mutter?“
Letzte Woche wurde ich an dem Tag als Schweden den Fall einstellte, auf BBC World News von Greta Guru-Murthy interviewt, die wenig Kenntnis über den Fall Assange zu haben schien. Immer wieder wollte sie auf die ihm zur Last gelegten „Vorwürfe“ zu sprechen kommen. Sie beschuldigte ihn dafür, dass Trump ins Weiße Haus gekommen ist. Und sie ließ mich die „Tatsache“ wissen, dass „Führer auf der ganzen Welt“ ihn verurteilen würden. Zu diesen Führern zählte sie auch Trumps CIA-Direktor. Ich fragte sie: „Sind sie eine Journalistin?“
Die Ungerechtigkeiten gegen Assange sind einer der Gründe, warum das Parlament 2014 das Auslieferungsgesetz reformiert hat.
„Er hat den Fall von vorne bis hinten gewonnen,“, erzählte mir Gareth Peirce. „diese Gesetzesänderungen bedeuten, dass Großbritannien jetzt alle Argumente in dem Fall als korrekt betrachtet. Trotzdem profitiert er nicht davon.“
Mit anderen Worten: er hätte sein Verfahren vor britischen Gerichten gewonnen und hätte nicht Zuflucht suchen müssen.
Die Entscheidung Ecuadors 2012, Assange zu schützen, war unglaublich mutig. Auch wenn das Gewähren von Asyl ein Menschenrecht ist und alle Staaten nach internationalem Recht dazu befugt sind, haben sich sowohl Schweden als auch Großbritannien geweigert, die Rechtmäßigkeit der ecuadorianischen Entscheidung anzuerkennen.
Die Botschaft Ecuadors in London wurde von der Polizei abgeriegelt und der Regierung wurde gedroht. Als das Außenministerium unter William Hague damit drohte, die Wiener Konvention über die diplomatischen Regeln zu verletzen und warnte, er würde die diplomatische Unverletzlichkeit der Botschaft verletzen um die Polizei hineinzuschicken um Assange herauszuholen, da war die weltweite Empörung so groß, dass die Regierung einen Rückzieher machen musste.
In einer Nacht erschien Polizei vor den Fenstern der Botschaft, ein offensichtlicher Versuch zur Einschüchterung Assanges und seiner Beschützer.
Seither ist Assange auf einen kleinen Raum ohne Tageslicht beschränkt. Zeitweise wurde er krank und man verweigerte ihm sicheres Geleit für eine Diagnose in einem Krankenhaus. Dennoch sind seine Widerstandskraft und sein dunkler Humor unter diesen Umständen erstaunlich. Auf die Frage, wie er unter diesen Einschränkungen zurechtkomme, antwortete er: „Immer noch besser als ein Hochsicherheitsgefängnis.“
Es es ist nicht vorbei, aber es zerfällt. Die Arbeitsgruppe der Vereinten Nationen zu willkürlicher Verhaftung (UN Working Group on Arbitrary Detention) – das Tribunal, das bewertet und entscheidet, ob Regierungen ihre Verpflichtungen zu den Menschenrechten erfüllen – hat letztes Jahr geurteilt, dass Assange von Schweden und Großbritannien unrechtmäßig festgehalten wurde. Das ist das internationale Recht auf seinem Höhepunkt.
Sowohl Großbritannien als auch Schweden nahmen an der 16-monatigen Untersuchung teil und legten dem Tribunal Beweise vor und verteidigten ihre Position. In früheren Entscheidungen der Arbeitsgruppe – Aung Sang Suu Kyi in Burma, dem inhaftierten Oppositionsführer Anwar Ibrahim in Malaysia und dem im Iran festgehaltenen Washington Post-Journalisten Jason Rezaian – haben Großbritannien und Schweden das Tribunal voll und ganz unterstützt. Der Unterschied ist jetzt, dass die Verfolgung Assanges im Herzen Londons geschieht.
Die Metropolitan Police sagt, sie hätten immer noch vor, Assange zu verhaften falls er die Botschaft verlässt, da er Kautionsauflagen verletzt habe. Was dann? Ein paar Monate im Gefängnis, bis die USA ihren Auslieferungsantrag an britische Gerichte übergeben.?
Wenn die britische Regierung zulässt, dass das passiert, dann wird sie in den Augen der Welt zurecht und historisch beschämt sein, als Mittäterin in einem verbrecherischen Krieg der wild gewordenen Macht gegen Gerechtigkeit und Freiheit, und gegen uns alle.