Ein teuflisches Verhältnis?
Der ehemalige CIA-Agent Robert Baer hat die Beziehung der USA zu Saudi-Arabien recherchiert - und seine Ergebnisse 2003 veröffentlicht. Anne Allmeling hat sich sein Buch noch einmal vorgenommen und die Thesen überprüft.
Die enge Beziehung zwischen den USA und Saudi-Arabien beruht auf einem einfachen Tauschgeschäft, schreibt Robert Baer in seinem 2003 erschienen Buch „Die Saudi-Connection“: Die Amerikaner kaufen Öl aus Saudi-Arabien. Die Saudis wiederum nutzen einen großen Teil des verdienten Geldes für Rüstungausgaben – und bestellen dabei vor allem in den USA. Ein Modell, das einfach und transparent klingt. Doch dem Autor zufolge stecken hinter diesen Geschäften besorgniserregende Machenschaften.
Für sein Buch hat der ehemalige CIA-Agent die enge Beziehung zwischen den USA und Saudi-Arabien genau unter die Lupe genommen. Seine These: Über alle Parteigrenzen hinweg sind die Verantwortlichen in Washington so geldgierig, dass sie bei vielen Geschäften beide Augen zudrücken.
"Bürokraten ohne Rückgrat"
"Jeder Washingtoner Bürokrat mit einem durchschnittlichen IQ weiß, dass er sich irgendwie und irgendwann zum Futtertrog der Saudis durchschlagen kann, wenn er sich entsprechend verhält: ein Beratervertrag von Aramco, ein Lehrstuhl an der American University, ein Job bei Lockheed – irgendetwas wird schon für ihn abfallen. Es gibt kaum einen lebenden ehemaligen stellvertretenden Staatssekretär für den Nahen Osten, CIA-Direktor, Angehörigen des Stabs des Weißen Hauses oder Kongressabgeordneten, der nicht irgendwie auf der Gehaltsliste der Saudis gelandet ist. Und wenn so viel Geld da draußen auf sie wartet, haben natürlich die wenigsten Washingtoner Bürokraten das Rückgrat, sich auf eine Auseinandersetzung mit Saudi-Arabien einzulassen."
Mehr als 20 Jahre hat Robert Baer für den US-Auslandsgeheimdienst CIA im Nahen und Mittleren Osten gearbeitet. Dabei ist er zu dem Schluss gekommen, dass vor allem die radikal-orthodoxen Sunniten in Saudi-Arabien, die Wahhabiten, den weltweiten islamistischen Terror finanzieren. Doch diese Erkenntnis würde von den USA ignoriert – mit schwerwiegenden Folgen, meint Baer:
"Ein geringer Prozentsatz von dem, was wir für dieses Öl bezahlen, landet am Ende bei Terroristen und wird von ihnen benutzt, Anschläge gegen US-amerikanische Institutionen auf heimatlichem Territorium und in anderen Ländern zu finanzieren."
"Geschäfte auf Kosten der Sicherheit"
Die USA seien zu sehr an den eigenen Geschäften interessiert, als dass sie sich näher mit dem in Saudi-Arabien genährten Terrorismus auseinandersetzen würden, schreibt Baer. So hätten die amerikanischen Geheimdienste nicht einmal intensive Ermittlungen aufgenommen, nachdem sich die Mehrzahl der Attentäter vom 11. September 2001 als saudische Staatsbürger entpuppt hatten.
Dass die Herrscherfamilie Saudi-Arabiens, die Al Saud, den Terror der Wahhabiten deckt, liegt Baer zufolge daran, dass sie Angst vor ihnen hat. Schließlich haben radikale Islamisten wie Al Qaida auch der Herrscherfamilie den Kampf angesagt, weil sie von den theokratischen Prinzipien der Wahhabiten abgewichen ist. Um die Wahhabiten zu besänftigen, tätigt die Herrscherfamilie umfangreiche Sozialausgaben und unterhält einen aufgeblähten Staatsapparat aufrecht. Doch der kostet Unmengen an Geld – was die Saudische Regierung zu Beginn des 21. Jahrhunderts, zur Zeit von Baers Recherchen, nur noch mit Krediten finanzieren konnte.
"Offiziell verschlingen die Ausgaben für das Militär 13 Prozent des Bruttoinlandsprodukts Saudi-Arabiens. In Israel – einem Land, das sich in ständigem Kriegszustand befindet, bis an die Zähne bewaffnet und von Feinden umgeben ist – beanspruchen die Ausgaben des Militär nur neun Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Es ergibt sich also zwangsweise die Frage, warum die Saudis so viel mehr von ihrem Bruttoinlandsprodukt für die Landesverteidigung ausgeben als die Israelis – noch dazu, wo die USA doch die Saudis vor ihren äußeren Feinden schützen."
"Erkaufte Ruhe und Stabilität"
Woher das Geld kommt und wohin es fließt – danach würde keiner fragen, schreibt Baer. Er ist sich sicher, dass viele Geschäfte der Saudis dazu dienen, sich Ruhe und Stabilität im eigenen Land zu erkaufen – und die eigene Sicherheit:
"Wohin fließt also das Geld, das die Saudis für die Landesverteidigung ausgeben? Eine Menge davon versickert irgendwo im tiefen Schlund der Korruption, eine ebenso große Summe verschlingt aber auch der persönliche Schutz der Königsfamilie."
Das Problem: einen Ausweg aus diesem Teufelskreis zu finden, ist alles andere als leicht. Denn jeder Versuch Saudi-Arabiens, die Korruption zu bekämpfen, die Kreditaufnahme zu reduzieren und weniger Waffen zu importieren, würde in einem Interessenskonflikt mit den USA münden, meint Baer.
"Teufelskreis der Korruption"
"Reduziert man dagegen die Zahl der Gewehre, so riskiert man den Zorn der amerikanischen Beschützer ebenso wie den der Briten, die ebenfalls zu den bedeutenden Waffenlieferanten zählen. Und das würde das ganze Geflecht privater und öffentlicher Interessen zerstören, das man im Westen über einen so langen Zeitraum hinweg mit großer Mühe ausgebaut und am Leben erhalten hat."
So spannend diese Thesen sind – Robert Baer verzichtet auf Belege. Als ehemaliger CIA-Agent gibt er seine Quellen nicht preis, und vor der Veröffentlichung im Jahr 2003 musste er sein Buch seinem ehemaligen Arbeitgeber vorlegen. Einige als "geheim“ eingestuften Absätze wurden von der CIA geschwärzt.
Spannende Thesen - keine Belege
Dennoch macht Robert Baer in seinem Buch auf einige problematische Aspekte der Beziehungen zwischen den USA und Saudi-Arabien aufmerksam. Dabei lässt er allerdings einige wichtige Aspekte außer Acht – zum Beispiel die Tatsache, dass die wahhabitische Geistlichkeit ebensowenig ein fester Block ist wie die weitverzweigte Königsfamilie der Al Saud. Und im Gegensatz zu Baers Erwartungen hat die saudische Regierung die bewaffnete islamistische Herausforderung seit 2003 erfolgreich niedergekämpft. Die Unterstützung für islamistische Gewalttäter kommt heute eher aus dem schiitischen, mit Saudi-Arabien verfeindeten Iran.
Seit dem Thronwechsel von König Fahd zu Abdallah II. wurden in Saudi-Arabien behutsame Reformen eingeleitet, die das Land stabilisiert haben. Und inmitten der tiefen Weltwirtschaftskrise erweisen sich die sechs unter saudischer Führung im Golfkooperationsrat zusammengeschlossenen Ölmonarchien als Fels in der Brandung. Alle sechs Staaten haben sich weiter liberalisiert: politisch, gesellschaftlich und ökonomisch.
Für viele Araber sind Kuwait, Katar oder die Vereinigten Arabischen Emirate längst zu Vorbildern geworden, während die Rolle des Schlusslichts nicht mehr Saudi-Arabien, sondern Länder wie der zum failing state werdende Jemen, Syrien oder auch Ägypten übernehmen. Anders als von Baer erwartet, blieb das Desaster am Golf bislang aus – und damit auch das prophezeite Scheitern der US-Politik.