Singapurs Abwasser-zu-Trinkwasser-Technologie rettete das Land vor Wasserknappheit –
und einer gigantischen Stromrechnung.
Singapurs Skyline glitzert hinter dem Marina-Reservoir. Die neu eingefasste Bucht
wird von einem aus drei Hochhaustürmen bestehenden Hotel eingenommen, das
auf im Meer aufgeschüttetem Land erbaut wurde. (Foto: Darren Soh)
Singapur begann seine Reise in die Unabhängigkeit mit mächtigem Getöse. Die Insel war noch immer ein exotischer Außenposten des Britischen Weltreiches als der zweite Weltkrieg die Episode einläutete. Japans Armee bereitete sich auf die Invasion der malaysischen Halbinsel vor und die britischen Kräfte flohen nach Singapur über die einzige Brücke, die es mit dem Festland verband. Um den Vorstoß der japanischen Truppen zu verzögern, sprengten die königlichen Ingenieure die Brücke hinter sich in die Luft.
Die Detonation siegelte jedoch auch das Schicksal der Insel, denn eine kritisch wichtige Pipeline, die Wasser aus Johor, einem malaysischen Staat, herüber brachte, wurde dabei ebenso zerstört. Die Einwohner Singapurs entdeckten, dass sie nur noch wenige Tage Trinkwasservorräte in ihren erschöpften Reservoirs hatten. Die Insel war in der Tat nicht mehr zu verteidigen. Die Japaner reparierten die Brücke beinahe ebenso schnell wie sie gesprengt worden war, radelten über die Meerenge und feierten ihren Sieg.
Rund 68 Jahre später hat die Hafenstadt Singapur ihre territoriale Unabhängigkeit erlangt und ist reich geworden, trotz eines Mangels an Wasser und Energie. Doch jetzt – und entgegen aller Chancen – ist komplette Wasserunabhängigkeit (von Malaysien und gar dem Wetter) in greifbare Nähe gerückt. Anstatt Abwasser in die See zu leiten, sammelt eine Wasseraufbereitungsanlage sämtliche Abwässer ein, klärt sie zu Trinkwasserqualität und führt sie wieder der Bevölkerung zu. Auf diese Weise hat Singapur den Wasserzyklus effektiv umgangen und ihn stattdessen zu einem kontrollierten, inseleigenen Zirkel eingeschränkt.
Zuerst freundete sich niemand so recht mit dem Gedanken an, Abwasser trinken zu müssen. Die Aufbereitung des Abwassers verbrauchte zudem Elektrizität für den Klärprozess, und diese Investition macht aufbereitetes Wasser teurer als jenes in Städten, die mit Frischwasserseen, Flüssen und Aquifern gesegnet sind. Präsentiert mit einer harten Auswahl, wählte Singapur Wasseraufbereitung – und bis jetzt hat sich diese Wahl bestens bewährt.
Als sich Singapur in den 1960ern letztendlich von Großbritannien und schließlich auch Malaysien trennte, stand Wasser an der Spitze der Aufgabenliste. Die Regierung verhandelte zwei Verträge mit den großen Nachbarn auf dem Festland um den Wasserbedarf der Insel für das nächste Jahrhundert zu sichern; zu einem Preis, versteht sich.
Mit diesem grundsätzlichen Bedarf gesichert, schauten sich die Wasserwerke schon bald nach neuen Quellen um. Man begann mit einer Wasserquelle, die dem tropischen Fleckchen Erde in Fülle zur Verfügung stand: den überdurchschnittlichen Regenfällen, etwa 237 Zentimeter pro Quadratmeter und Jahr. Singapur baute Dämme zur Abschottung seiner wenigen kleinen Flüsse und konstruierte zudem 15 Reservoire zur Sammlung von Regenwasser. Diese Reservoire waren wichtig, denn Singapur verfügt über keine nennenswerten Grundwasservorkommen.
Sodann taten die Wasserwerke etwas radikales. Nach einem halben Jahrzehnt der Forschung und Testung der ersten Wiederaufbereitungsanlage, verkündeten Singapurs Wasserplaner ihre ultimate Strategie für Trinkwassersicherheit. Man würde Abwasser unter hohem Druck durch Filter pressen, um damit alle Mikroben, Viren und andere Verunreinigungen zu entfernen. Die Wasserwerke nannten ihr Produkt NEWater und die Aufbereitungsanlage eine Wasserfabrik. Mit großer Fanfare machte das aus Abwasser neu gewonnene Trinkwasser im Jahr 2003 sein Debüt.
Doch die wirkliche Arbeit stand noch an. Die Wasserwerke überredeten ihre Kunden, das neue Wasser zu akzeptieren; einen nach dem anderen. Fabrikbetreiber fragten sich, welche Rückstände das neue Wasser wohl in ihren Anlagen hinterlassen würde, doch Harry Seah, der Direktor für Technologie und Wasserqualität der Wasserwerke, stellte klar, daß NEWater qualitätstechnisch reiner war als die meisten Trinkwasser anderswo. „Zuerst musste ich [die Kunden] überreden,“ erinnert sich Seah. Schon bald hatte er die 12 Computerchiphersteller der Insel und andere Elektronikunternehmen eingenommen und die Wasserwerke verlegten Rohre zur Belieferung mit NEWater. Silicone Manufacturing Co., ein Unternehmen, das auf ultrapures Wasser zur Reinigung seiner Silikonchips angewiesen ist, ist von NEWater überzeugt. Die Firma kalkulierte, daß ihr die überragende Purität von NEWater über eine halbe Million Dollars pro Jahr einspart, vor allen Dingen weil einige Schritte des internen Wasserreinigungsprozesses nun ausgelassen werden können.
Reversosomosemembranen in einer von Harry Seah beaufsichtigten NEWater-Anlage (unten
rechts) produzieren das von Kindern getestete NEWater (Foto: Darren Soh)
Singapur begann außerdem eine groß angelegte Öffentlichkeitskampagne. Der Ministerpräsident trank während eines Festivals eine Flasche NEWater unter dem Jubel der Besucher. Der Untertext war klar: Patriotische Singapurer trinken Abwasser. Das Projekt fand jedoch nicht überall Anklang. Eine Parodie des populären, nationalistischen Lieds „Zähle auf mich, Singapur“ (count on me) wies die Einheimischen an: „Trink unseren Urin, Singapur“ (drink our pee).
Die bisweilen etwas übervorsichtigen Reaktionen der Singapurianer hielten das Wasserwerk jedoch nicht davon ab, vier weitere Aufbereitungsanlagen zu erbauen und die Agentur ist auf dem besten Wege, die Produktion von NEWater auf 555 Megaliter pro Tag zu erhöhen. Bis zum Ende des Jahres werden die Anlagen fast ein Drittel von Singapurs Trinkwasser liefern.
Bis jetzt stammt nur ein Bruchteil von Singapurs Trinkwasser aus den NEWater-Anlagen. Etwa 40 Megaliter pro Tag werden mit den anderen Wasserquellen Singapurs vermischt. Das ist etwa 2 Prozent der Trinkwasserbedürfnisse. Die Wasserwerke erbauten außerdem eine Meerwasserentsalzungsanlage, die täglich 136 Megaliter Trinkwasser produziert, etwas weniger als ein Zehntel des Bedarfs. Alles zusammen genommen hat Singapur jedoch seinen Trinkwasserbedarf komfortabel abgedeckt.
NEWater Geschmackstest
Drei Auswahlen stehen zur Verfügung: NEWater, in Flaschen abgefülltes Trinkwasser aus Malaysien und Leitungswasser. Dieser Autor setzte sich und begann zu trinken. NEWater war geschmacklos, fast als wie man auf gebleichtem Papier kaute. Das Wasser aus Malaysien hatte einen perplexen Nachgeschmack von alten Kleiderfusseln und Beeren. Das Leitungswasser war hervorragend.
Der hydrologische Zyklus der Natur hängt von Sonnenwärme ab, was Wasser verdunsten läßt. Salze und andere Unreinheiten werden dabei zurück gelassen und Frischwasser in der Form von Regen oder Schnee fällt wieder auf die Erde. Das ist aber nicht das Ende vom Lied: Das meiste Frischwasser verdunstet aus den Ozeanen, steigt dann in die Atmosphäre auf und bildet Wolken. Winde verschieben die Wolken über Landmassen, wo sie abregnen und damit nur zu etwa einem Zehntel der Regenfälle der Welt beitragen, gemäß dem „U.S. Geological Survey“. Singapur entschied sich, die Atmosphäre aus seiner Transaktion auszukanzeln und Verdunstung stattdessen durch einen schnelleren Apparatus zu ersetzen: Membranen.
Es funktioniert wie folgt: Eine Aufbereitungsanlage sammelt das Abwasser der Stadt und filtert zuerst einmal die großen, einfach zu entfernenden Verunreinigungspartikel aus. Etwa 60 Prozent des Wassers wird in den Ozean geleitet. Der Rest geht zu einer NEWater-Fabrik. Das Wasser ist zu diesem Zeitpunkt immer noch durch Bakterien, Viren und andere Kohlenstoff-basierte Verunreigungen belastet. Sodann kommt es nach der Membranenfilterung aber reiner als die meisten anderen Leitungswasser der Welt zum Vorschein.
Die Haupttaktik der Aufbereitung ist es, das Wasser durch winzige Löchlein zu pressen. Je kleiner die Löcher, desto weniger unerwünschte Mikroben kommen durch. Die Kunst dabei ist, das zu tun ohne die Stromrechnung in schwindelerregende Höhen schnellen und die kleinen Löchlein durch Rückstände verstopfen zu lassen. Der erste Schritt ist das Hindurchpressen des Wassers durch eine Membrane, die Partikel bis zu einer Größe von 0,2 Mikrometer zurück hält. Dazu gehören die meisten Bakterien und Ptotozoen. Die Membrane sieht aus wie ein Zylinder, der mit dünnen hohlen Röhren gefüllt ist. Das Wasser strömt in diese porösen Strohhalme. Die Wassermoleküle passieren die Poren und sammeln sich außerhalb der Membranen, während die größeren Partikel die Röhrchen nicht verlassen können und stattdessen später separat abgezapft und verworfen werden.
Die Marina Barrage verwandelt die Bucht in ein Reservoir (links), geschützt von der See (rechts).
(Foto: Darren Soh)
Zwei Vereinbarungen erlauben Singapur
den Import von Wasser aus Malaysien durch
eine Pipeline. Die Verträge verjähren 2011
und 2061. (Foto: Darren Soh)
Das Wasser muss sodann jedoch noch immer von möglichen Viren befreit werden. Dafür wird eine spezielle Revers-Osmose-Membrane aus Polymerplastik eingesetzt. In einer Konfiguration werden papierdünne Membranen (jede über einen Meter lang) zwischen Lagen eines anderen Materials gepackt, die man „Spacer“ nennt. Dieser Stapel von Membranen und „Spacern“ wird zu einem Zylinder aufgerollt, fast wie eine gigantische Rolle Einwickelpapier. Der Kern des Zylinders bleibt hohl. Dort sammelt sich das gesäuberte Wasser.
Unter Hochdruck wird das Wasser in ein Ende der Rolle eingepumpt. Die Unreinheiten bewegen sich entlang der „Spacer“, penetrieren aber niemals die Polymermembranen. Die Wassermoleküle jedoch finden ihren Weg durch die nur 0,0001 μm kleinen Poren und vereinigen sich wieder im hohlen Kern.
Diese beiden Schritte entfernen nahezu jede Verunreinigung, doch in einem dritten und letzten Schritt generieren Quecksilberlampen ultraviolettes Licht, dem das Wasser ausgesetzt wird. Die UV-Strahlung schädigt das genetische Material aller Bakterien oder anderen Mikroorganismus, die vielleicht doch hindurch geschlüpft sein mögen. Nun ist das Wasser fit für menschlichen Genuss.
Die Signifikanz von NEWater ist weitaus größer als sein Beitrag zur Trinkwasserverfügbarkeit pro Einwohner. „NEWater ist der Schlüssel zu unserer gesamten Strategie,“ sagt Seah.
Seah spricht mit weicher Stimme und hat ein Gesicht, das regelmäßig in ein herzliches Lachen ausbricht. Er ist seit zwei Jahrzehnten im Vorstand der öffentlichen Wasserwerke und hat das NEWater-Projekt zu seiner vollen Reife geführt. ‚Das tollste an NEWater ist sein multiplizierender Effekt,“ erklärt er. Damit meint er: Wenn die Aufbereitungsanlage 50 Prozent von Singapurs Abwasser wiederaufbereitet, dann reicht dem Stadtstaat jeder Tropfen entsalztes Meerwassers und jeder Tropfen gesammelten Regenwassers doppelt so lange. „Wenn wir aber 100 Prozent Wiederaufbereitung schaffen, dann braucht Singapur nicht einmal mehr den Regen,“ sagt Seah.
Das ist aufgrund der wenigen Optionen, die Singapur hat, kritisch. Die Hälfte der Insel wurde bereits in Regenwasserauffanggebiete verwandelt, und drei neue Reservoire werden diese Fläche auf zwei Drittel ausdehnen. Die andere Trinkwasserquelle ist Singapurs einzige Meerwasserentsalzungsanlage, die so viel Energie verbraucht, daß sie nur begrenzt eingesetzt werden kann.
Um das Salz aus dem Meerwasser zu entfernen, muss die Anlage einen Druck von 7 Megapascal erzeugen, sagt Seah. Um aber Unreinheiten aus Abwasser zu entfernen, braucht es weniger als 1 Megapascal. Dieser Unterschied hat immense Auswirkungen auf den Energieverbrauch: Mehr als 4 Kilowattstunden für 1.000 Liter Trinkwasser bei der Entsalzungsanlage im Vergleich zu nur 0,7 Kilowattstunden für die gleiche Menge NEWater. „Es ist ganz klar,“ sagt Seah, und seine Augen verziehen sich zu einem Lachen. „Wir gewinnen!“
Asit Biswas, ein internationaler Wasserhaushaltungsexperte verbringt seine Zeit zwischen der Nationaluniversität von Singapur und dem Dritte Welt Center für Wassermanagement in Mexiko. Er sieht Singapur als einen der wenigen Plätze der Welt wo die Wasserbehörden seiner eigenen
kontroversen Position zustimmen; nämlich daß Wasserknappheit ganz einfach und simpel nicht existiert. Was existiert ist schlechtes Wassermanagement.
Das Problem, so sagt er, ist, daß die Leute dazu tendieren, anzunehmen, daß Wasser wie Erdöl oder ein anderer fossiler Brennstoff ist, daß es sich gemäß den gleichen grundsätzlichen Wirtschaftsprinzipien verhält. „Wasser ist aber kein Erdöl,“ sagt er. „Wenn wir Erdöl verwenden, schlüsseln wir es [durch Raffinierung] in seine verschiedenen Komponenten auf. Wir können es später nicht wieder zusammenbauen.“ Obwohl Wasser zur Verdunstung und Versickerung tendiert, ändert es aber seine Molekularstruktur niemals. „Es gibt daher kein Limit wie oft Wasser wiederverwendet werden kann,“ erklärt Biswas.
Diese einfache Tatsache ändert aber auch die Art in der Wasserverfügbarkeit gemessen wird. Wie viel für eine Stadt oder ein Land zur Verfügung steht hängt nicht davon ab, wie viel Eis in einem Himalaya-Gletscher enthalten ist oder wie viel Regen während der Monsunsaison fällt. Und plötzlich erscheint Singapur wasserreich. Der Regen, der über der Stadt nieder geht rann vielleicht früher einmal im Rinnstein eines Pariser Boulevards oder füllte Königin Kleopatras Badewanne. Nun wird Singapurs Regenwasser mit dem Abwasser von Hary Seah, Asit Biswas und pratkisch jedem anderen Singapurianer verschnitten. Die Aufbereitungsanlage wartet nicht auf die Natur. Sie läßt Technologie den Job verrichten.
Nicht jedermann kann aber zum Trinken wiederaufbereiteten Urins angeregt werden. In Queensland, Australien, und in San Diego, hat öffentlicher Widerstand die Wasserrecyclingambitionen der dortigen Behörden zum Stocken gebracht. Doch mindestens drei Plätze in den Vereinigten Staaten – Scottsdale/Arizona, Orange County/Kalifornien und Nord-Virginia – purifizieren Abwasser und mischen es in ihr Trinkwasser.
In der Tat wiederverwenden die meisten Plätze ihr Wasser – ohne sich dessen ganz bewusst zu sein. Gemäß Autor Peter Gleicks 'The World’s Water 2002–2003', wird jeder einzelne Wassertropfen des Colorado River 17 Mal wiederverwendet. Auf die selbe Weise konsumieren auch die Londoner Trinkwasser, das von zahlreichen Kläranlagen an der oberen Themse wieder in den Fluss geleitet wird.
In Singapurs Fall hat die absichtliche Wiederverwendung von Wasser eine wichtige Rolle in der Entwicklung des Stadtstaates gespielt. Seetharam Kallidaikurichi ist der Direktor des Institut für Wasserhaushaltung an der Nationaluniversität von Singapur. Er behauptet, daß Singapurs Wasserstrategie der Grundstein für den wirtschaftlichen Erfolg des Landes während der letzten 45 Jahre war. „Die Beweise werden immer deutlicher, dass Wasser eine zentrale Rolle einnimmt, daß es der Schlüssel zum Aufschließen der bösartigen Zyklen von Mangel und Armut ist und diese in wirtschaftlichen Erfolg und Lebensqualität umkehren kann,“ sagt er.
Aber Priorität für Wasser bedeutet auch großen Energieaufwand um es zu machen, zu säubern und zu verteilen. Die Frage stellt sich, wie man dieses Jonglieren von Rohstoffen optimiert. Da Singapur fast 290 Milliarden Kubikfeet Naturgas importieren muss, um seine Energiewerke zu betreiben, könnte man meinen, daß das Land lediglich eine Form der Abhängigkeit für eine andere eingetauscht hat.
Die Konsequenzen dieser Abhängigkeit manifestieren sich zunehmend. Darren Sun, ein Professor für Zivil- und Umweltingenieurswesen an Singapurs Nanyang Technological University, hat steigendes Interesse an seiner Arbeit an energieeffizienteren Membranen festgestellt. „Bei den meisten Wasserprojekten machten sich die Menschen nicht viele Gedanken, wie viel Energie man verbrauchte. Das hat sich geändert. Die Energiekrise hat das zu einem brisanten Thema werden lassen,“ sagt er. Sun untersucht gegenwärtig ein Membrandesign, das Titaniumdioxid-Nanofasern verwendet, die zugleich Wasser filtern und Strom erzeugen.
Die Forschungsarbeit ist von ihrer Ausreifung aber weit entfernt und für den Augenblick werden die Energiekosten weiterhin hoch bleiben. Das ist der Preis, den Singapur für eine erstklassige Trinkwasserversorgung und Volksgesundheit zahlen muss, sagt Kallidaikurichi. "Man könnte jetzt sagen, daß Trinkwasserherstellung [in Singapur] mehr Energie [als anderswo] verbraucht, aber die Stadt braucht mehr Wasser, denn es ist die Stadt, die mehr Wohlstand produziert.“
Die Lösung, so sagen Biswas und Kallidaikurichi, ist strikt wirtschaftlicher Natur: Singapur berechnet allen seinen Kunden die Nettokosten der Wasserherstellung – und das auf der Basis der Kosten eines Liters entsalzten Wassers. Das haben die Wasserwerke festgelegt, um die hohen Energiekosten aufzufangen.
Als Resultat verfügt die Einrichtung über genügend Geld um in neue Technologien zu investieren. Seah möchte den Energiebedarf zur Entsalzung um mehr als die Hälfte auf 1,5 kWh pro tausend Liter senken und den Energiebedarf für NEWater von gegenwärtig 0,7 kWh auf 0,4 kWh.
Er ist optimistisch. Immerhin hätte der NEWaterprozess mehr Energie pro Liter konsumiert wenn seine Ingenieure nicht experimentiert hätten. „Die Technologien kamen von überall her, aber ich glaube, unsere Wertschöpfung liegt darin, wie wir sie einsetzen,“ sagt Seah. „Wie wir sie kombinieren. Wie wir die Software schreiben. Wie wir die Fabriken betreiben.“
Zum Beispiel haben er und seine Kollegen einen Weg gefunden, eine kleine Menge Chloramin – ein Desinfektionsmittel – beim Membranenfilterungsprozess einzusetzen. Dieser Zusatz verhindert ein verstopfen der Filterporen ohne dabei die Membrane zu zerstören. Das war eine Herausforderung, welche die Industrie für geraume Zeit beschäftigt hatte. Verstopfte Poren bedeuten mehr Druck, um das Wasser durch den Filter zu pressen. Mehr Druck bedeutet aber auch eine höhere Stromrechnung. Die Ingenieure haben außerdem einen Weg gefunden, beim Betreiben eines Membranenbioreaktors mit weniger Druck auszukommen. Der Reaktor enthält Schwärme von Mikroorganismen, die sich an den Wasserverunreinigungen gütlich halten. Diese Erfindung wird bald den ersten Filtrierungsschritt ersetzen, was die Produktionskosten von NEWater um 20 Prozent senken wird, sagt Seah.
Weitere Entwicklungen werden von Singapurs Wassersektor erwartet, da Firmen und Akademiker davon profitieren. Zum Beispiel sind Forscher unter der Aufsicht von Leong Ong, der Fakultät für Umweltwissenschaften und –ingenieurswesen, dabei, einen Mechanismus zu entwickeln, wie er von Mangroven und Tilapiafischen zum Ausfiltern des Salzes aus Seewasser angewendet wird. Die Forscher sind zuversichtlich, dass es ihnen eines Tages gelingen wird, diesen natürlichen Prozess technisch nachzustellen.
Ultimativ wird Singapur aber nur über echte Wassersicherheit verfügen, wenn die Stadt ihre Abhängigkeit von importierter Energie reduzieren kann. Der Energieüberschuss einer Zivilisation als Resultat ihres Handels und technologischen Fortschrittlichkeit ist, was einer Wirtschaft erlaubt,
Investment von lebenswichtigen Bedürfnissen wie Trinkwasser abzuleiten und stattdessen Ausbildung, Kunst und einem reichhaltigen öffentlichen Leben zuzuführen. Die Bereitstellung eines energiesicheren Wassersektors wird deshalb für die nächsten 50 Jahre eine wichtige Aufgabe des winzigen Inselstaates darstellen.
Dieser Artikel erschien ursprünglich unter dem Titel „Wizards of the water cycle“ (englischer Originaltext: Sandra Upson).
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