(1) Kriegspropaganda 2011

Im Februar kamen die ersten Nachrichten, daß nach den Aufständen in Tunesien und Ägypten, Jemen und anderen arabischen Ländern die unerwartete Demokratisierungswelle im Nahen Osten auch Libyen erfaßt habe. Muammar al Gaddafi, der Machthaber in Tripolis, versuchte mit Hilfe seines Militärs und Sicherheitsapparates, der Lage Herr zu werden. Er bezeichnete die Aufständischen im Osten des Landes als Drogensüchtige und gab Al Qaida und ausländischen Agenten die Schuld an den Ereignissen. »Bizarr« und »wirr« lautete das weltweite Medienurteil über Gaddafis etwa einstündige Fernsehrede am 23. Februar.

Inzwischen führen Frankreich, Großbritannien, die USA und andere westliche und willige Staaten Krieg gegen Gaddafi und seine Truppen, nachdem die UN-Resolution 1973 den Weg dafür frei gemacht hat. Als Kriegsgrund wurde ausgegeben, daß man die Zivilbevölkerung schützen, potentielle Massaker und einen »Völkermord« verhindern wolle. Das fand viel Zustimmung, vor allem im Westen, quer durch alle politischen Strömungen.

Jetzt, Anfang/Mitte April, deutet manches darauf hin, daß Gaddafi, so bizarr und wirr er auch wirkte, mit seinen Behauptungen nicht ganz unrecht hatte. Die Indizien mehren sich, daß NATO- und andere Staaten am 21. März unter Täuschung der UNO und der Öffentlichkeit einen lange vorbereiteten Krieg gegen das libysche Staatsoberhaupt begonnen haben und daß der Aufstand in Bengasi und anderen Orten dafür ein willkommener, wenn nicht gar herbeigeführter Anlaß war. Es hat den Anschein, daß uns da erneut ein Schauspiel vorgeführt wird, dessen Grundmuster unter anderem schon bei beiden Kriegen der USA gegen den Irak 1990 und 2003, beim jugoslawischen Bürgerkrieg Anfang der 90er Jahre und beim NATO-Krieg gegen Rest-Jugoslawien 1999 zu beobachten war. Offenbar wird die Kraft der Bilder und Worte wieder einmal dazu gebraucht, um unser Urteilsvermögen zu trüben. Die Manipulation funktioniert.

(2) Putin: Spitzenpolitiker der Welt nicht zur Hinrichtung von Gaddafi berechtigt

Niemand hat laut Premier Wladimir Putin den führenden Persönlichkeiten gewisser Staaten das Recht erteilt, den libyschen Staatschef Muammar Gaddafi hinzurichten.

“Was ist das für eine Flugsperre, wenn jede Nacht Paläste bombardiert werden… Zunächst wurde erklärt: Wir wollen Gaddafi nicht töten. Jetzt sagen einige offizielle Persönlichkeiten: ‘Ja, wir sind bestrebt, Gaddafi zu vernichten.’ Wer hat das aber erlaubt? Gab es denn ein Gericht? Wer hat sich das Recht angemaßt, einen Menschen hinzurichten, wie er auch immer sein mag? Und alle schweigen”, sagte Putin in einer Pressekonferenz nach Verhandlungen mit seinem dänischen Amtskollegen Lars Løkke Rasmussen.

Premier Putin schlug vor, einen Blick auf die Landkarte des Nahen Ostens sowie von Nordafrika zu werfen. “Dort gibt es nichts außer Monarchien. Oder gibt es dort etwa eine Demokratie nach dänischem Muster? Nein. Nur Monarchien rundherum. Das entspricht im Großen und Ganzen der Mentalität der Bevölkerung und der dort entstandenen Praxis.”

(3) Libyen ersucht Russland um Einberufung von Sondersitzung des Weltsicherheitsrates

Das meldete die Nachrichtenagentur Reuters am Dienstag unter Berufung auf die staatliche libysche Agentur Jana. Hauptthema der Sitzung sei “die übermäßige Aggression der Kolonialisten und Kreuzritter, die zivile Objekte angreifen und versuchen, in Verletzung von zwei Resolutionen des Weltsicherheitsrates und entsprechender internationaler Abkommen den (Revolutions-)Führer Muammar el-Gaddafi zu einer Zielscheibe zu machen”, hieß es in der Meldung.

(4) Der Raub des Jahrhunderts

Die Beschlagnahme der Gelder der staatlichen libyschen Fonds durch die “Willigen”.

Das Ziel des Krieges in Libyen ist nicht nur das Öl. Die Reserven des Landes (geschätzt auf 60 Milliarden Barrel) sind die größten in Afrika und die Kosten für seine Gewinnung zählen zu den niedrigsten in der Welt. Es ist auch nicht allein das Erdgas. Die Reserven werden auf 1500 Milliarden Kubikmeter geschätzt. Im Visier haben die „Bereitwilligen“ der Operation „United Protector“ auch die staatlichen Fonds, die Gelder, die der libysche Staat im Ausland investiert hat. Die staatlichen Fonds, die der „Libyan Investment Authority“ (LIA) verwaltet, werden auf rund 70 Milliarden Dollar geschätzt. Sie betragen über 150 Milliarden Dollar, wenn die Auslandsinvestitionen der Zentralbank und anderer Organe mitgerechnet werden. Aber es könnten auch mehr sein. Wenn die staatlichen Fonds auch kleiner sind, als die von Saudi-Arabien und Kuweit, so kennzeichnet sie ein rasches Wachstum.
Siehe auch: Why the West Wants the Fall of Gaddafi? Informationen zu Libyen.

Als die LIA 2006 errichtet wurde, verfügte sie über 40 Milliarden Dollar. In kaum 5 Jahren hat sie in über 100 nordafrikanische, asiatische, europäische, nord- und südamerikanische Gesellschaften investiert, in Holdings, Bank, Immobilgesellschaften, Industrien, Ölgesellschaften und andere. In Italien gingen die größten libyschen Investitionen in die Unicredit Bank (an ihr besitzen LIA und libysche Zentralbank 7,5%), Finmeccanica (2%) und ENI (1%). Diese und weitere Investitionen (darunter 7,5% am Fußballclub Juventus Turin) haben nicht so sehr ökonomische (ingesamt etwa 4 Milliarden EUR), sondern politische Bedeutung.

Nachdem Washington Libyen von der Proskriptionsliste der „Schurkenstaaten“ gestrichen hatte, versuchte das Land für sich einen Manövrierraum auf internationaler Ebene zu gewinnen. Dazu setzte es auf „Diplomatie mittels seiner staatlichen Fonds“. Seit 2004 die USA und die EU das Embargo aufgehoben hatten und die großen Erdölgesellschaften zurückgekehrt waren, konnte Tripolis über einen Handelsbilanzüberschuss von rund 30 Milliarden Dollar pro Jahr verfügen, die es zu einem großen Teil für Investitionen im Ausland verwandte. Die Verwaltung der staatlichen Fonds hat jedoch einen neuen Mechanismus von Macht und Korruption in den Händen von Ministern und hohen Funktionären geschaffen, der wahrscheinlich teilweise auch der Kontrolle von Gaddafi selbst entglitten ist. Das wird dadurch bestätigt, dass er 2009 vorgeschlagen hat, die 30 Milliarden Einnahmen aus dem Ölgeschäft sollten „direkt an das libysche Volk gehen“. Der Bruch innerhalb der libyschen Regierung wurde dadurch verschärft.

Die herrschenden Kreise in den USA und Europa haben an diesem Bruch angesetzt und sich – bevor sie militärisch Libyen angegriffen haben, um seine reichen Energievorkommen in die Hand zu bekommen – der Mittel der staatlichen Fonds bemächtigt. Der Vertreter des „Libyan Investment Authority“ Mohamed Layas hat ihnen dabei geholfen. Wie ein Telegramm enthüllt, das dank Wikileaks durchgesickert ist, hat Layas am 20. Januar den US -Botschafter in Tripolis darüber informiert, dass die LIA 32 Milliarden Dollar bei US Banken deponiert hatte.

(5) Nato: Kein Kommentar zu Putins Kritik am Libyen-Einsatz

Die Nato enthält sich jeden Kommentars zu der jüngsten Kritik von Premier Wladimir Putin am Vorgehen der Westkoalition in Libyen, das Putin zufolge über den Rahmen der Libyen-Resolution des UN-Sicherheitsrates hinausgeht.

„Wir geben keinen Kommentar zur Erklärung von Ministerpräsident Putin ab“, sagte Carmen Romero, die Stellvertreterin des offiziellen Nato-Sprechers, am Mittwoch zu RIA Novosti. Zugleich betonte sie, dass die Resolutionen 1970 und 1973 des UN-Sicherheitsrates der Allianz „ein klares Mandat gegeben haben, ‘alle erforderlichen Mittel’ zum Schutz der libyschen Bürger vor den Kräften Gaddafis einzusetzen“. „Wir erfüllen dieses Mandat“, sagte Romero.

Der russische Premier Wladimir Putin hatte der Völkergemeinschaft am Dienstag vorgeworfen, massiv gegen Libyen vorzugehen und die Infrastruktur des nordafrikanischen Landes zu zerstören.

„Wir müssen im Rahmen des Völkerrechts, verantwortungsbewusst und in Sorge um die Zivilbevölkerung handeln. Wenn aber die so genannte zivilisierte Gemeinschaft mit aller Wucht ein kleineres Land angreift und dessen Infrastruktur, die von mehreren Generationen geschaffen wurde, vernichtet, ist das gut oder schlecht? Mir gefällt das jedenfalls nicht“, sagte Putin in Kopenhagen nach Verhandlungen mit dem dänischen Ministerpräsidenten Lars Løkke Rasmussen.

(6) Kommt es wegen Libyen zum 3. Weltkrieg?

Während die Gutmenschen im Westen eifrig den Libyenkrieg unterstützen, verurteilt der Rest der Welt den vierten Krieg, den die USA mit den NATO-Verbündeten in den letzten 12 Jahren vom Zaun gebrochen haben. Wo die Medien keine Kriegspropaganda betreiben wie die hiesigen, ist der Aufschrei gross über den illegalen Krieg, bei dem es um Öl und Wasser geht. Das ist auch der Grund, warum die NATO nicht in Simbabwe, Bahrain oder Syrien kämpft. (…)
(…) Die ganze Welt, ausser ein paar europäische Länder und Amerika waren und sind gegen den Krieg in Libyen. Man wirft den USA und deren NATO-Verbündeten vor, einen vierten, illegalen und imperialistischen Krieg zu führen. Ist dies der berühmte Tropfen, der das Fass zum überlaufen bringt? Denn der Zorn auf die säbelschwingenden und mordenden Truppen des Westens ist gross – wenn man die Bilder aus Afghanistan vom Wochenende in Erinnerung ruft.

(7) NATO plant die Eskalation des Kriegs gegen Libyen

Angriff gegen Gaddafis Wohnsitz am Montag ist Teil der neuen Vorgangsweise. Funktionäre der NATO berichten heute über Pläne, den Krieg gegen Libyen weiter zu eskalieren. Sie sagen, dass der Angriff gegen Gaddafis Wohnsitz am Montag kein Mordversuch war, sondern viel mehr der erste in einer Serie von weiteren Angriffen.

Das Weiße Haus bestätigte, dass Präsident Obama über die Eskalationspläne informiert worden ist. Es heißt, dass die Funktionäre der Administration für mehr Angriffe gegen Tripoli waren, weil „wir sicherstellen wollen, dass er weiß, dass es da einen Krieg gibt.“

(8) Libyen: Die Washington/NATO-Agenda und der nächste Große Krieg

In den 1930er Jahren bereiteten die Vereinigten Staaten von Amerika, das Vereinigte Königreich und die Niederlande einen Weg für den Zweiten Weltkrieg im Pazifik, indem sie gegen Japan konspirierten. Die drei Regierungen beschlagnahmten die japanischen Bankguthaben in ihren Ländern, die Japan für die Bezahlung seiner Importe benutzte und schnitten Japan ab von Erdöl, Kautschuk, Zinn, Eisen und anderen lebenswichtigen Rohstoffen. War Pearl Harbor die Antwort Japans?

Washington und seine NATO-Marionetten setzen nun die gleiche Strategie gegen China ein.

Die Proteste in Tunesien, Ägypten, Bahrain und Jemen gingen von den Menschen aus, die gegen Washingtons tyrannische Handlangerregimes protestierten. Die Proteste gegen Gaddafi, der keine Marionette des Westens ist, scheinen allerdings von der CIA im östlichen Teil Libyens organisiert worden zu sein, wo sich das Erdöl befindet und wo China bedeutende Investitionen im Energiebereich getätigt hat.

Es wird angenommen, dass achtzig Prozent der Erdölreserven Libyens im Sirtebecken im Ostteil des Landes liegen, das jetzt von den von Washington unterstützten Rebellen kontrolliert wird. Nachdem siebzig Prozent des libyschen Bruttoinlandsprodukts durch Erdöl erwirtschaftet werden, würde eine erfolgreiche Aufteilung Libyens die in Tripoli angesiedelte Regierung Gaddafis wesentlicher Mittel berauben.

 


Honigmann