Zur Geschichte der politischen Korrektheit
Im fiktiven Jahr 1984 sorgt im Roman von George Orwell das «Ministerium für Wahrheit» im Land Ozeanien für politisch korrekte Sprache. Heute übernimmt das in der Stadt Zürich die «Genderpolizei». In Zukunft wird man in Ozeanien für Gesichtsverbrechen verfolgt.
2010 wollte in Huttwil im Emmental der Wirt des «Hotels zum Mohren» sein Haus umtaufen in «Hotel zum kleinen Prinzen». Vor allem bei US-amerikanischen Gästen sei der Name nicht gut angekommen. Sie hätten «Mohren» mit ‹Black man› oder gar ‹Nigger› übersetzt. Nach längerem Rechtsstreit erhielt der Wirt die behördliche Genehmigung. Das ist zwar skurril, aber schon in Ordnung. Weshalb sollte der Wirt wegen des Namens seines Hotels, des heiligen Mohren aus der Weihnachtsgeschichte, Umsatzeinbussen in Kauf nehmen.
Der Duden, die Rechtschreibung und der Neger
Das Standardwerk der deutschen Sprache, der Duden, hätte nichts gegen den alten Namen einzuwenden. Er sagt zwar, das Wort «Mohr» (Substantiv, maskulin) sei «im Gebrauch veraltet». Aber er hält es für zulässig. Hätte das Hotel allerdings «Hotel zum Neger» geheissen, wäre der Name bei Duden durchgefallen. Duden sieht sich nicht nur zuständig für die Rechtschreibung, sondern auch für die politische Korrektheit der deutschen Sprache. Im «Duden, Die deutsche Rechtschreibung» steht zum Wort «Neger» (Substantiv, maskulin) ein besonderer Hinweis: «Die Bezeichnung Neger gilt im öffentlichen Sprachgebrauch als stark diskriminierend und wird deshalb vermieden.» Noch schärfer urteilt Wikipedia: «Neger» gilt heute als «abwertende, rassistische Bezeichnung für schwarze Menschen und wird als Schimpfwort gebraucht».
Damit stellt sich für uns Deutschsprachige die Frage: Darf man Neger sagen? Ueli Maurer hat die Frage 2003 als Präsident der SVP wie folgt beantwortet: «Solange ich ‹Neger› sage, bleibt die Kamera bei mir». Aber das ist lange her.
Rein rechtlich ist die Sache klar. Der 1995 im Strafgesetzbuch eingeführte Artikel 261bis über die Rassendiskriminierung verbietet die Verwendung des Wortes nicht. Wer das Thema der Schwarzafrikaner etwas lockerer angehen will, schaut sich das YouTube-Video von Harald Schmidt aus dem Jahre 2008 an: https://www.youtube.com/watch?v=tAdyJe13Hmc. Witziger geht es nicht.
Die politisch korrekte Sprache
Die Frage der politisch korrekten Sprache geht weit über die Verwendung oder Verketzerung einzelner Wörter hinaus. Die Verteidiger der politischen Korrektheit misstrauen dem öffentlichen Diskurs, misstrauen der Freiheit der Meinung und der Rede. Sie wollen über die Steuerung der Sprache die politische Haltung bestimmen. Das ist nicht akzeptabel. Für den liberalen Menschen bildet das berühmte Wort Voltaires den Massstab: «Ich bin nicht einverstanden mit dem, was Sie sagen, aber ich würde bis zum Äussersten dafür kämpfen, dass sie es sagen dürfen.» Die Grenze dessen, was man nicht mehr sagen darf, wird in der Schweiz im Strafrecht geregelt. Alles andere ist frei, wenn auch nicht immer geschmackvoll.
Die Schlacht zwischen freier Rede und politischer Korrektheit wird sowohl in den USA wie auch in Europa mit grosser Härte geführt, hier besonders in Deutschland. Sie wird nicht nur in der Politik und in den Medien geschlagen, sondern in hohem Masse auch an den Universitäten. In der Schweiz gehört es zum Tagesgeschäft, dass Auftritte bestimmter Redner und Parteigänger an Universitäten mit Drohungen verhindert werden. Die Proteste stammen praktisch ausschliesslich von linken, autonomen, progressiven und anderen selbsternannten Menschheitsverbesserern und richten sich gegen bürgerliche, konservative oder «neoliberale» Exponenten.
Eindrücklich wird die politische Korrektheit im Roman 1984 von George Orwell dargestellt. Durch die politisch umgestaltete Sprache «Neusprech» (englisch Newspeak) sollen die sprachlichen Ausdrucksmöglichkeiten beschränkt und damit die Freiheit des Denkens aufgehoben werden. Die Ideologie von «Ingsoc» (englischer Sozialismus) soll dadurch im Unterbewusstsein der Menschen verankert werden.
Für die Zukunft hat Orwell eine weitere Steigerung der politischen Kontrolle des Denkens ersonnen: Das Gesichtsverbrechen (englisch Facecrime). Dabei zeigt jemand durch seinen Gesichtsausdruck, dass er sich in Gedanken eines Verbrechens schuldig macht. Dies erkennt man am Gesicht, das die innerliche Meinung abbildet und ein Spiegelbild der eigenen Gedanken ist. Mit den heutigen Möglichkeiten der Gesichtserkennung und entsprechender Algorithmen dürfte diese Art der Durchsetzung der politischen Korrektheit mit Hilfe eines Gedanken-Scanners bald möglich sein.
Die Genderpolizei von Zürich
Zurück zum politisch korrekten Alltag von heute. Das links dominierte Büro des Zürcher Stadtparlaments hat einen Vorstoss der SVP-Gemeinderätin Susanne Brunner zu einem nicht bewilligten Festival bereits zweimal zurückgewiesen, und zwar wegen Verletzung der korrekten Gender-Regeln. Brunners Vergehen: Sie verwendete in ihrem Text das generische Maskulinum. Statt von «Besetzerinnen und Besetzern» zu sprechen, setzte sie fast ausschliesslich auf die männliche Form und ergänzte den Text mit der Anmerkung, das generische Maskulinum in ihrem Vorstoss umfasse «weibliche Individuen und solche Individuen, welche sich keinem Geschlecht zuordnen wollen und/oder können, gleichermassen wie männliche Individuen».
Das genügt den Standards der politischen Korrektheit in der Stadt Zwinglis nicht. Das nicht bewilligte Festival wird vom Rat nicht behandelt. Vielleicht ist das nur eine Schutzbehauptung, vielleicht war das Gros des 13-köpfigen Büros selbst als «Besetzerinnen und Besetzer» am Festival.
Holocaust und Nazi-Keule
Die linken Sprachpolizisten scheinen die Holocaust- oder Nazi-Keule besonders zu lieben, aktuell in Deutschland und in den USA, aber auch bei uns. Berühmt ist die Entgleisung des Geschichtsprofessors Georg Kreis im Dezember 2009. Der damalige Präsident der Eidgenössischen Kommission gegen Rassismus verglich in einer Sendung zum Minarett-Verbot am Schweizer Fernsehen die Kampagne der SVP gegen den Islam mit der antisemitischen Stimmung vor dem Zweiten Weltkrieg.
Ein parlamentarischer Vorstoss von FDP-Nationalrat Christian Wasserfallen gegen den SVP-Hasser hatte keinen Erfolg: In einer Demokratie gebe es Platz für Menschen mit verschiedenen Ansichten. Da müsste man wohl ergänzen «falls die Menschen nicht der SVP angehören». Ähnliches erlebt man heute in den USA: Die Linke beschimpft Trump wegen seiner Migrationspolitik als «Faschisten»:
Dies ist, genau wie die Entgleisung von Kreis, eine Verharmlosung der Nazis und der Faschisten.
Darf man Neger sagen?
Zurück zum Anfang: Darf man einem Neger «Neger» sagen? Persönlich denke ich: Ja. Man muss sogar. Wer findet, das dürfe man nicht, ist offensichtlich innerlich der Meinung, ein Neger sei etwas Negatives. Sonst könnte man ihm ja so sagen.
Man wird nicht zu einem besseren Menschen, wenn man für eine gewisse Rasse oder Ethnie einen neuen Namen erfindet. Im Gegenteil, man beweist damit, dass man mit seinem Weltbild offensichtlich nicht im Reinen ist. Ein orwellscher Gedanken-Scanner könnte die innere Verfassung aufzeigen.
Hans Geiger
BRISANT vom 19. Juli 2019 als PDF-Dokument herunterladen