Libanon
Trauer um die Toten
Wohin? Israelische Soldaten rücken vor
Peter Philipp
Der Anfang vom Ende für Olmert
Vor drei Jahren begann der Einmarsch der israelischen Armee im Libanon. Peter Philipp zieht Bilanz - und schaut nach vorn.
Die damalige israelische Regierung unter Ministerpräsident Ehud Olmert hatte zunächst den Eindruck erweckt, dass sie mehr als ihre Vorgängerinnen eine zivile Regierung sei, der es in erster Linie um eine diplomatische Lösung der anstehenden Probleme gehe.
Ein Eindruck, der dadurch unterstrichen und verstärkt wurde, dass Olmert nicht in der Armee gedient hatte. Der Eindruck sollte täuschen: Israel wurde innerhalb von zwei Jahren gleich zweimal in Kriege verstrickt, die keine Entscheidung brachten und wahrscheinlich hätten vermieden werden können: Anfang 2009 der Krieg gegen Hamas im Gazastreifen und vor genau drei Jahren, der Krieg gegen Hisbollah im Libanon.
Der Überfall
Am Morgen des 12. Juli 2006 überfiel ein Trupp von Hisbollah-Kämpfern eine israelische Patrouille an der libanesischen Grenze und entführten zwei Soldaten, um Gefangene aus israelischer Haft freizupressen. Israel schlug sofort zurück und verstrickte sich in einen Krieg, der bis zum 14. August andauern und zu einem Desaster für beide Länder werden sollte.
Im Libanon kamen rund 1500 Menschen um, große Teile der Infrastruktur des Landes wurden zerstört und dem Erdboden gleich gemacht. Gleichzeitig aber gelang es der schiitischen Hisbollah, Raketenangriffe im israelischen Landesinneren durchzuführen und dabei zum ersten Mal sogar die Hafenstadt Haifa zu treffen. Als der Krieg zu Ende ging, hatte Israel nichts erreicht: Hisbollah war weiterhin ein Machtfaktor im Libanon, die vom Iran unterstützte "Partei Gottes" konnte sich innerhalb kürzester Zeit mit mehr, neueren und besseren Waffen versorgen und in der Folge auch ihre politische Stellung im Libanon ausbauen. Zwar gelang es der Hisbollah bei der jüngsten Wahl nicht, die Mehrheit zu erringen, aber sie sitzt weiterhin als Koalitionspartner in der Regierung - und ist weit davon entfernt, klein beizugeben.
Gravierende Fehler
In Israel befand nach dem Krieg eine offizielle Untersuchungskommission, dass die Regierung in vielerlei Hinsicht versagt habe. Olmert musste die Konsequenzen ziehen und seine Regierung umbilden. Aber erst am dritten Jahrestag des Kriegsausbruches war der stellvertretende Generalstabschef jener Tage, Mische Kaplinsky, bereit einzuräumen, dass man damals gravierende Fehler gemacht habe: So habe bei Beginn des Krieges kein klares Ziel festgestanden, man habe die Reserve zu spät mobilisiert und den Bodenangriff zu spät gestartet. In der breiten Öffentlichkeit war man längst weiter: Man hatte eingesehen, dass ein konventioneller Krieg kein Weg ist, einer Organisation wie der Hisbollah oder später der Hamas im Gazastreifen beizukommen.
Die Regierung Olmert muss das auch eingesehen haben, denn sie verlegte sich später darauf, mit türkischer Hilfe Friedensverhandlungen mit Syrien aufzunehmen. Wobei man versuchte, Damaskus klarzumachen, dass ein Frieden natürlich das Ende der Unterstützung für Hisbollah bedeuten müsse. Syrien lehnte ab, der Iran – der unverändert jede Anerkennung Israels ausschließt - ebenso.
Vorsichtige Avancen
Die vorsichtigen Avancen Jerusalems in Richtung auf Damaskus gingen Anfang 2008 mit dem Gazakrieg in die Brüche und wenn die neue Regierung Netanyahu zwar auch von Friedensbereitschaft gegenüber Syrien spricht, so stehen die Chancen hierfür unverändert schlecht. Wenn überhaupt jemand Syrien und Hisbollah voneinander entfernen kann, dann wohl US-Präsident Barack Obama, der zielstrebig auf Damaskus zugeht und die Beziehungen mit Syrien verbessern will – egal, was man in Israel dazu sagt.
Im Libanon sind die Lager trotz aller Regierungskoalitionen unverändert gespalten. Die Bevölkerung hat mit dem Libanonkrieg auch den letzten Rest von Verständnis für Israel verloren. Breite Kreise der Bevölkerung aber wissen, dass der Krieg von Hisbollah provoziert war. Dies in der Öffentlichkeit zu sagen, verbietet sich angesichts des politischen wie militärischen Schwebezustandes im Inneren des Landes. Man weiß es – aber spricht es nicht aus: Wäre Hisbollah wie alle anderen Milizen des Landes entwaffnet worden, dann hätte es den Krieg nicht gegeben. In Israel schließlich beginnt man erst jetzt vorsichtig, sich die Fehler von 2006 einzugestehen. Der Gazakrieg vor einigen Monaten zeigte, dass man – da zumindest – noch nicht bereit war, die entsprechenden Konsequenzen zu ziehen.
Redaktion: Oliver Samson