Es ist nun allgemein bekannt, das Brasilien, Russland, Indien und China die vier aufstrebenden Mächte sind, die die BRICS-Gruppe ins Leben gerufen haben. Zu der Gruppe gehört auch Südafrika und in kurzer Zeit werden ihr andere Mächte des Großen Südens beitreten. Die BRICS sind in Washington und seinem Think-Tankland herzlich verhasst, denn sie verkörpern die Bemühungen des Großen Südens zur Schaffung einer multipolaren Welt.
Man könnte einige Flaschen Krim-Champagner wetten, dass die Antwort der USA auf diese Bemühungen ein totaler Informationskrieg sein wird, der sich im Wesen nicht sehr viel unterscheiden wird vom "totalen Informationsbewusstsein" (Total Information Awareness-TIA), jenes entscheidende Bestandteilder Doktrin der "Gesamtspektrum-Dominanz " (Full spectrum dominance) des Pentagons, das der Deep State NSA schon umgesetzt hat (1). Die BRICS werden als eine ernsthafte Bedrohung empfunden. Zu deren Bekämpfung müssen die gesamten Informationsnetze beherrscht werden.
Der Leiter des Instituts für Lateinamerika der russischen Wissenschaftlichen Akademie Wladimir Dawidow hat ins Schwarze getroffen, als er darauf hingewiesen hat, dass „der Sachstand darauf schließen lässt, dass es angesichts der weltweit zunehmenden Rolle der BRICS-Gruppe Versuche gibt, nicht nur Russland, sondern auch alle BRICS-Staaten mundtot zu machen.“
Russlands Verteufelung hat in den USA mit dem Verhängen von Sanktionen rapide überhand genommen, als Putin zum „neuen Hitler“ wurde und man die gute alte Angst aus der Zeit des Kalten Krieges ausgegraben hat: „Rette sich, wer kann! Die Russen kommen!“
Im Falle Brasiliens hat der Informationskrieg schon lange vor Dilma Rousseffs Wiederwahl begonnen. Wall Street und die lokale Kompradorenbourgeoisie* haben alles daran gesetzt, eine angebliche „etatistische Wirtschaftsführung“ zu ruinieren, und dabei wurde Dilma persönlich verteufelt.
Die Behauptung, dass in kurzer Zeit Sanktionen gegen China verhängt werden könnten aufgrund seiner „aggressiven“ Stellungnahme im südlichen chinesischen Meer, Tibet oder Hongkong , ist nicht allzu weit hergeholt ; dasselbe gegen Indien im Hinblick auf Kaschmir; in Brasilien wegen Menschenrechtsverletzungen oder massiver Entwaldung. Indische Diplomaten befürchten halbamtlich, dass Indien als erster BRICS-Staat dem Druck nachgeben wird.
Da die BRICS-Staaten de facto Bausteine zur Errichtung einer demokratischeren und mit Hinblick auf die internationalen Beziehungen und auf finanzieller Ebene integrativeren Weltordnung (sonst gibt es keine), scheinen die Mitgliedstaaten wachsam zu bleiben. Sonst werden sie nacheinander KO geschlagen werden.
Der geschäftsführende Direktor des russischen Nationalkomitees für BRICS-Studien Georgij Toloraja weist darauf hin, dass „immer mehr nun über die Kommunikationskanäle der BRICS übermittelt wird.“
So zum Beispiel interessieren sich die Brasilianer lebhaft für die Zusammenarbeit im Bereich der Investierungen. Die Neue Entwicklungsbank (früher: Entwicklungsbank der BRICS) wird 2015 Wirklichkeit werden. Auch bereitet ein russisches Team einen ausführlichen Bericht über die Kooperationsperspektiven der BRICS-Staaten, der am Rande des APEC (Asia-Pacific Economic Cooperation)-Gipfels (8.-10.11.2014) gründlich untersucht werden soll.
Erstes und zweites Siegel des Büros für Informationsbewusstsein, das von der Agentur der Projekte zur Forschung in fortgeschrittener Verteidigung (DARPA) im Januar 2002 gegründet wurde. Motto: Scientia est potentia - Wissen ist Macht
Auf den Energiekrieg folgt nun der Devisenkrieg
Der neue Ölschock (2) in Saudi-Arabien, der von der Obama-Regierung zumindest grünes Licht erhalten hat, sieht ganz nach einer so starken Offensive gegen die BRICS, wie das „totale Überwachungssystem“, und dabei werden vorrangig Brasilien und Russland ins Visier genommen.
Über 50% der Einnahmen des russischen Staatshaushalts sind auf Öl und Erdgas zurückzuführen. Wenn der Preis des Ölbarrels um 10 $ fällt, bedeutet es jedes Mal für Russland bis jährlich 14,6 Milliarden $ entgangenen Gewinns. Ein Verlust, der durch die Schwäche des Rubels einigermaßen ausgeglichenwerden könnte: nämlich hat die russische Währung seit Anfang 2014 im Vergleich zum Dollar 25% seines Wertes eingebüsst. Russland verfügt immer noch über eine Reserve in Höhe von 450 Milliarden Dollar. Jedoch wird für 2015 mit einem schwachen - 0,5% bis 2% - russischen Wachstum gerechnet.
Wenn der Rohölpreis um 1 $ fällt, verliert Petrobras, die größte brasilianische Ölgesellschaft, jedes Mal über 900 Millionen Dollar. Werden die Preise sich auf dem derzeitigen Niveau halten, werden Petrobras jährlich 14 Milliarden Dollar entgehen. Auf lange Sicht hemmt also der Preisrückgang die Entwicklung von Petrobras und deren Fähigkeit, neue Infrastruktur- und Erforschungsprojekte zu finanzieren, die mit ihren wertvollen Pre-Salt-Öl-Vorräten im Zusammenhang stehen. Petrobras wurde also ganz besonders ins Visier genommen im Laufe der Verteufelungskampagne gegen Roussef.
Der Iran gehört nicht zur BRICS-Gruppe, aber ganz wie deren Mitgliedsstaaten fördert er das Auftauchen einer multipolaren Welt. Um ein ausgeglichenes Staatsetat zu erreichen, braucht der Iran einen Ölbarrelpreis von 136 $. Wenn ein Nuklearabkommen mit den Ländern des P 5+1 in drei Wochen (am 24. November) abgeschlossen würde, könnte (zumindest in Europa) eine Erleichterung der Sanktionen damit einhergehen, was für den Export des Irans förderlich sein könnte. Jedoch macht sich Teheran keine Illusionen hinsichtlich der Machenschaften zur Manipulierung der Ölpreise, um Irans Wirtschaft noch mehr zu destabilisieren und seine Stellung im Rahmen der Verhandlungen über das Nuklearabkommen noch mehr zu schwächen.
An der wirtschaftlichen Front tritt das „totale Überwachungssystem“ zu Tage durch das Aufgeben des Programms quantitativer Lockerung der US-Notenbank. Folglich wird der US-Dollar weiter aufgewertet werden und diese Devise wird auf den Schwellenmärkten in geringerer Menge vorhanden sein. Ein Artikel von Xinhua (3) hat die Frage sehr gut erfasst.
In Wirklichkeit hängen aber der US-$ und der Yuan/Renminbi eng zusammen. Wenn der Dollar steigt, steigt ebenfalls der Yuan. Nur leidet dann die chinesische Wirtschaft. Das Beunruhigende für Beijing ist, dass die Herstellungsindustrie zu kostspielig werden könnte in vielen Handelssektoren, wo die Gewinnspannen schon sehr schmal sind.
Was ganz sicher passieren wird, ist, dass die chinesische Zentralbank eine kontrollierte Abwertung des Yuans organisieren und dabei Mechanismen zur Bekämpfung des Abflusses der Fluchtgelder, insbesondere nach Hongkong, einführen wird.
China könnten die Auswirkungen des Aufgebens des Programms quantitativer Lockerung relativ erspart bleiben. Nur dass keiner die Finanzkrise von 1997 vergessen hat, das 1998 bis nach Russland gelangte. Einzige Gewinner waren damals die großen US-amerikanischen Multis und die Vorherrschaft von Washington.
So geht es aber nicht
Die Verteufelung der BRICS wird unaufhörlich fortgesetzt werden, und zwar auf verschiedenen Niveaus; vorzugsweise wird Russland ins Visier genommen werden- ein Land, das nebenbei gesagt den Dritten Weltkrieg auslösen wird. Wieso? Weil die US-Amerikaner es gesagt haben.
Das rezenteste Beweisstück stammt von den Geheimdiensten des dänischen Verteidigungsministeriums (DDIS); vorige Woche hat jenes nämlich enthüllt, dass Russland im Juni einen Jagdflieger- und Raketenangriff auf der Insel Bornholm [kleine, aber dicht bevölkerte dänische Ostseeinsel südöstlich von Schweden] simuliert hat.
Das DDIS hat kein konkretes Detail des simulierten Angriffs bekannt gegeben. Immerhin hat das Ministerium betont, dass man da mit der seit 1991 beeindruckendsten russischen Militärübung in der Ostsee zu tun hatte. Das DDIS hat seine Risikoeinschätzung für 2014 (
Risk Assessment 2014) veröffentlicht und voraus gesagt, dass „
die Situation in der Ostukraine in den nächsten Jahren sich zum neuen schwelenden Konflikt in Europa entwickeln wird.“
Allerdings sagen es die Dänen klipp und klar: „Doch deutet es keineswegs darauf hin, dass Russland nun eine größere direkte Bedrohung für das dänische Territorium darstellt.“
Nichts deutet darauf hin, dass Washington bereit wäre, die Möglichkeit, die Weltordnung zu Gunsten eines demokratischeren Managements auch nur zu besprechen, wie es Immanuel Wallerstein in seiner Theorie vorschlägt (4). Der nächste G20-Gipfel in Australien wird es wieder ganz klar zeigen.
In Wirklichkeit neigt sich das immer mehr fragmentierte System unvermeidlich einer katastrophalen Bruchstelle entgegen. Das „totale Überwachungssystem“ samt seinen Kumpanen und Vernetzungen ist nur eine verzweifelte Strategie zur Verschiebung des besiegelten Verfalls. Schließlich hat Wallerstein Recht: Die Welt der Nachkaltkriegszeit wird höchst volatil bleiben.
Anmerkungen
*Kompradorenbourgeoisie: Bourgeoisie in kolonialen und neokolonialen Ländern, die ihre Geschäfte in ökonomisch-politischer Unterordnung unter ausländischem Kapital führt und nicht zur Kapitalakkumulation „aus eigener Kraft“ fähig ist. (wirtschaftslexikon)
(1) Joint Vision 2020 Emphasizes Full-spectrum Dominance, U.S. Department of Defense, 02-06-2000
(2) La guerre du pétrole des Saoudiens contre la Russie, l’Iran et les USA, (Ölkrieg der Saudi-Araber gegen Russland, den Iran und die USA), Le Saker francophone, 17-10-2014
(3) U.S. QE exit to put further pressure on China’s slowing economy, Xinhua, 30-10-2014
(4) Immanuel Wallerstein ist ein US-amerikanischer Sozialwissenschaftler und Sozialhistoriker. Er ist der Begründer einer Weltsystemanalyse, die Aspekte von Geschichte, Ökonomie, Politikwissenschaft und Soziologie zusammenfasst (Wikipedia deutsch). Als globalisierungskritisch bekannt. Siehe auch Le capitalisme est proche de sa fin. La suite? Porto Alegre ou Davos, ein auf humanite.fr, 31-07-2013 erschienenes Interview.