Seit mehr als 500 Jahren bewacht die Schweizergarde den Papst und den Vatikan. Ein Ex-Gardist klagt nun an: Die Schweizer dienen nicht nur dem Schutz der Geistlichen, sondern auch als Lustobjekt.

Schweizergarde
Ein ehemaliges Mitglied der Schweizergarde erhebt schwere Vorwürfe gegen den Vatikan (Foto: picture alliance / dpa)

Jung, stark und exzellent ausgebildet. Die Aufnahmebedingungen der Schweizergarde sind streng. Zwischen 19 und 30 Jahre alt, mindestens 1,74 Meter groß, sportlich, einwandfreier Leumund und der Besuch der Rekrutenschule werden vorausgesetzt. Die straffen Kriterien überraschen nicht, schließlich bewacht die Schweizergarde seit mehr als 500 Jahren den Papst und den Vatikan. Doch glaubt man einem ehemaligen Schweizergardisten, dann dient die 110-köpfige Truppe nicht allein dem Schutz, sondern auch als Lustobjekt einiger hoher Geistlicher.

Ein Ex-Gardist schüttete nun sein Herz der Zeitung "Schweiz am Sonntag" aus. Während des Pontifikats von Johannes Paul II. habe er von 20 Geistlichen Sexangebote bekommen. Nicht nur von Priestern, sondern auch von Bischöfen und Kardinälen soll er belästigt worden sein, gestand der Mann, dessen Name die Zeitung nicht preisgab. Geführt wurde er im Interview unter dem Initial "G." Sein bitteres Fazit nach mehreren Dienstjahren: lautet "Der Vatikan ist ein Paradies für Schwule."

Er habe versucht, sich anderen anzuvertrauen. Seine Vorgesetzten hätten ihn aber nicht unterstützt, als er seine Nöte zur Sprache gebracht habe. Mit den Worten: "Das hast du falsch verstanden, du kannst ja gar kein Italienisch", habe man ihn abgewimmelt. Mit den Kameraden habe er nicht sprechen können.

"Was andere Gardisten machten, weiß ich nicht. Darüber hat man nicht gesprochen." Selbst die Verwandten in der Schweiz hätten ihm keinen Glauben geschenkt, sagte der Mann.

«Es stimmt. Es gibt sie.»

Das Interview des Schweizergardisten dürfte in Rom für erheblich Unruhe sorgen. Papst Franziskus hat sich zum Ziel gesetzt, die Kurie zu reformieren. Dabei verortet er die Probleme vor allem im persönlichen Verhalten seiner Mitarbeiter. Homosexualität ist ein wichtiger Aspekt.

Am 6. Juni 2013 sprach der Pontifex vor lateinamerikanischen Ordensvertretern von einer "Schwulenlobby". "Es stimmt. Es gibt sie. Wir müssen sehen, was wir tun können." Der Vatikan dementierte den Satz, der für weltweites Aufsehen sorgte, nicht. Papstsprecher Federico Lombardi legte nur Wert auf die Feststellung, dass er den Inhalt von Privataudienzen nicht kommentiere.

Die Enthüllungen des ehemaligen Schweizergardisten betreffen auch Personen im Papstpalast. "Einmal, als ich etwa um Mitternacht aus dem Ausgang nach Hause kam, rief mich jemand mit unterdrückter Nummer an", erinnert sich der Ex-Gardist. "Was machst du, wo bist du?", habe der Anrufer auf Italienisch gefragt und ihn auf sein Zimmer eingeladen. Es stellte sich heraus, dass es sich bei dem Mann um einen hohen Geistlichen handelte, der im Papstpalast logierte.

Ein schlechter Scherz eines Kameraden sei ausgeschlossen. Die Identität des Anrufers habe er bestätigt, in dem er die Personennummer überprüft habe, sagte der Ex-Gardist.

«Das Dessert bist dann du.»

Bei ihren Avancen versuchten es die Verehrer mit Alkohol und gutem Essen. "Einmal stand beim Posten am Eingang St. Anna eine Whiskyflasche für mich, zusammen mit der Visitenkarte eines Bischofs." Ein Priester habe ihn in seine Privatwohnung am Platz Campo dei Fiori bestellt und ihn dort mit kräftigem Nachschenken gefügig machen wollen. Auch ins Restaurant sei er eingeladen worden.

"Als Spinat und Steak serviert wurden, sagte der Priester zu mir: 'Das Dessert bist dann du.'" Er habe das Essen nicht angerührt und sei aufgestanden, erzählte der Ex-Gardist. Nicht einmal am Ende seiner Dienstzeit sei es besser geworden.

Nach dem Abschied aus der Schweizergarde habe er sich um eine Stelle in Rom bemüht. Von einem Geistlichen erhielt er den ungewöhnlichen Karrieretipp: "Wende dich an Bischof Soundso. Aber geh vorher duschen."


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