Der Schweizer Historiker Daniele Ganser stellt die 9/11-Version der US-Regierung infrage, weil wichtige Fragen immer noch nicht geklärt seien. Und er fordert eine neue Untersuchung – trotz Anfeindungen.
Der Terroranschlag auf das World Trade Center in New York in einem Bildablauf: Das gekidnappte United-
Airlines-Flugzeug nähert sich dem Südturm, fliegt hinein und explodiert. Der Nordturm wurde schon vorher
getroffen und schwarzer Rauch steigt aus ihm auf. Fast 3000 Menschen starben beim Angriff.
(11. September 2001) Bild: Reuters
Ein Einsturz, der Fragen aufwirft: Das Gebäude
Nummer 7 des World Trade Centers in New York.
(Bild: Reuters)
«Die offizielle Untersuchung zu 9/11 wurde lücken-
haft gemacht»: Daniele Ganser.
(Bild: Lucian Hunziker)
Zur Person |
Daniele Ganser |
Der Historiker und Friedensforscher Daniele Ganser (Jahrgang 1972) ist Dozent an der Universität Basel. Er leitet ein Forschungsprojekt zur «Peak Oil»-Thematik und dem globalen Kampf ums Erdöl. Zuvor war Ganser als Senior Researcher am Center for Security Studies (CSS) der ETH Zürich sowie beim Think-Tank Avenir Suisse in Zürich tätig gewesen. Als Buchautor veröffentlichte er «Nato-Geheimarmeen in Europa. Inszenierter Terror und verdeckte Kriegsführung» sowie «Die Kuba-Krise – UNO ohne Chance». (vin) |
ZDF-Dokumentation über WTC7
Nein, er sei kein Verschwörungstheoretiker. Und er wehre sich dagegen, dass bei politisch sensiblen Themen wie Terrorismus die Forschung bedrängt oder gar verhindert werde, sagt Daniele Ganser, Historiker und Friedensforscher an der Universität Basel. Er fordere nur eine wissenschaftlich seriöse Auseinandersetzung zu den Terroranschlägen vom 11. September in den USA. «Es gibt drei Versionen zu 9/11», erklärt Ganser. «Als Historiker bin ich aufgefordert, herauszufinden, welche Version nun stimmt.»
Die offizielle Untersuchung, der «9/11 Commission Report» von Thomas Kean aus dem Jahr 2004, sei von der Qualität her ungenügend. «Der Einsturz des dritten Gebäudes WTC7 in New York wird nicht einmal erwähnt», sagt Ganser im Gespräch mit baz.ch/Newsnetz. «Nur schon das hat mich stutzig gemacht.» Es gebe allerdings noch andere offene Fragen, etwa der nachgewiesene Insider-Handel an der New Yorker Börse vor den Attentaten. Laut Ganser gibt es folgende Theorien zu 9/11:
«Surprise-Theorie» («Überraschung»)
Die Version der damaligen Bush-Regierung, die im Kean-Report bestätigt wurde, ist die sogenannte «Überraschungs-Theorie». Diese geht davon aus, dass Osama Bin Laden und Khalid Sheikh Mohammed in Afghanistan die Terroranschläge geplant haben. Es war dann eine von Mohammed Atta angeführte Gruppe von 19 Muslimen, die den überraschenden Terroranschlag in den USA mit vier Passagierflugzeugen ausführte.
«Let-It-Happen-on-Purpose-Theorie» («Lass es absichtlich passieren»)
Die zweite Theorie behauptet, Bin Laden und das Al-Qaida-Netzwerk hätten den Anschlag geplant und ausführen lassen. Teile der amerikanischen Regierung hätten zwar von den Attentatsplänen erfahren, die Anschläge aber absichtlich nicht abgewehrt – um einen Grund für die späteren Kriege in Afghanistan und im Irak zu haben.
«Make-It-Happen-on-Purpose-Theorie» («Führe es absichtlich selbst aus»)
Die dritte Theorie schliesslich behauptet, die Anschläge seien vom Pentagon und/oder den US-Geheimdiensten selber ausgeführt worden, die Videos von Bin Laden seien gefälscht. Fast 3000 Menschen seien kaltblütig geopfert und das eigene Volk und die Welt getäuscht worden, um eine Serie von Kriegen zu legitimieren.
Einsturz des WTC7: Feuer oder Sprengung?
Daniele Ganser favorisiert keine der drei 9/11-Theorien, wie er betont. Er sagt aber, «dass die offizielle Untersuchung lückenhaft gemacht wurde – und zwar immer dann, wenn es Widersprüche zur ‹Surprise-Theorie› gibt, bleiben Fragen offen.» Das gelte beispielsweise für den Einsturz des WTC-Gebäudes 7. Es sei wenig bekannt, so Ganser, dass neben den Twin Towers – WTC1 und WTC2 – auch ein drittes Gebäude zusammenkrachte. «Wenn ein 170 Meter hohes Gebäude aus Stahl und Beton innert wenigen Sekunden einstürzt, ohne dass ein Flugzeug hineingeflogen ist, müsste das genauer untersucht werden.»
Ein paar Jahre nach der Veröffentlichung des Kean-Reports habe die Untersuchung eines Forschungsinstituts ergeben, dass ein Feuer WTC7 zum Einsturz gebracht habe. Diese Darstellung müsse aber hinterfragt werden, meint der 39-jährige Historiker. Möglich sei auch, dass WTC7 gesprengt wurde. Dabei stützt sich Ganser auf die Forschung des US-Architekten Richard Gage und die Einschätzungen von Hugo Bachmann und Jörg Schneider, zwei emeritierte ETH-Professoren für Baustatik und Konstruktion. Ob Feuer oder Sprengung zum Einsturz von WTC 7 führte, müsste man an den Stahlträgern untersuchen. Aber die gibt es nicht mehr. Damit bleibt diese Frage offen.
Spekulationen auf fallende Aktienkurse von zwei US-Airlines
Ungeklärt ist auch, wer vom nachgewiesenen Insider-Handel an den internationalen Börsen kurz vor den Terroranschlägen profitiert hat. Laut Ganser, der sich auf eine Studie des Banking-Instituts der Universität Zürich beruft, waren auffällig viele Put-Optionen auf United Airlines und American Airlines getätigt worden – es gab also signifikante Spekulationen auf fallende Aktienkurse der Fluggesellschaften, deren Maschinen von den Terroristen gekapert wurden.
«Das ist den meisten Menschen überhaupt nicht bewusst, dass am 11. September 2001 mit den Anschlägen auch Geld verdient wurde», sagt Ganser. Die US-Börsenaufsicht wolle nicht bekannt geben, wer die Put-Optionen gekauft habe, denn dies könne man nicht anonym tun. Insider-Handel habe zwar auch der «9/11 Commission Report» festgestellt. Der Bericht sei aber lediglich zum Schluss gekommen, dass der auffällige Handel mit Put-Optionen nicht bis zu Osama Bin Laden zurückverfolgt werden könne.
Freiwillige auf der ganzen Welt bemühen sich um Aufklärung
Weitere Ungereimtheiten zu 9/11 gibt es laut Ganser auch im Zusammenhang mit dem «Able Danger»-Programm im Kampf gegen Terrorismus. So soll «Able Danger» Mohammed Atta und andere Terroristen ein Jahr vor den Anschlägen ermittelt und überwacht haben. Damit hätte es möglich sein sollen, die Terroristen zu stoppen. Schliesslich ist auch die Frage nicht geklärt, weshalb die US-Luftwaffe zu spät reagierte.
Angesichts der offenen Fragen braucht es nach Ansicht von Ganser eine neue Untersuchung. Er sieht allerdings keine Anzeichen, dass die Regierung von US-Präsident Barack Obama oder der Kongress eine solche Untersuchung will – auch weil die USA mit der Wirtschafts- und Schuldenkrise ganz andere Probleme haben. Denkbar wäre allerdings laut Ganser, dass auf der Ebene der US-Staaten, also zum Beispiel auf der Ebene Kalifornien, eine Bürgerinitiative eingereicht werde, die eine neue 9/11-Untersuchung fordere und umsetze. Für dieses Vorgehen engagiere sich Mike Gravel, ein früherer Senator aus Alaska.
Ansonsten beruhen die Hoffnungen auf eine neue Untersuchung auf der Arbeit von Freiwilligen auf der ganzen Welt, die unter der Internet-Plattform «9/11 Truth Moment» untereinander in Kontakt stehen. Eine ähnliche Bewegung – «9/11 untersuchen» – hat sich inzwischen auch in der Schweiz formiert.
Ganser macht weiter – trotz feindseliger Reaktionen
Mit seiner Kritik an der offiziellen 9/11-Version und seinen öffentlichen Stellungnahmen seit 2005 hat Ganser teils heftige Reaktionen ausgelöst. Gewisse Fachkollegen hätten ihm abgeraten, seine Forschungen zu den Terroranschlägen von 2001 weiterzuführen. Einige hätten zwar unter vorgehaltener Hand zugestimmt, dass vieles ungeklärt sei. Andere hätten aber gemahnt, solche Fragen seien zu politisch und könnten auch in der Schweiz eine Karriere als Wissenschaftler ruinieren, erzählt Ganser. Er sei auch beschimpft worden, selbst die US-Botschaft in Bern habe protestiert.
Durch solche Anfeindungen lässt er sich aber nicht beirren. «Die Version der Bush-Administration blind zu übernehmen, würde den grundlegenden Prinzipien der Wahrheitssuche widersprechen», sagt Ganser. «Wir brauchen eine offene, sachliche, wissenschaftliche Debatte über alle offenen Fragen zu 9/11.»