WILLIAM TELL วิลเลี่ยม เทล Вильгельм Телль |
Im Gespräch David Graeber, Vordenker der Occupy-Bewegung, über eine Demokratisierung des Geldes, die schwäbische Hausfrau und die Armen als Pioniere einer neuen Wirtschaftsordnung
Der Freitag: Könnte es sein, dass die Veränderungen, die der Kapitalismus in seiner langen Geschichte an den Individuen erzwungen hat, unumkehrbar sind? Dass es gar keinen Weg mehr zu einer humaneren Gesellschaft gibt?
David Graeber: Wenn dieser Eindruck entsteht, hängt das auch damit zusammen, dass wir uns an antiquierte Vorstellungen von der Natur des Geldes klammern. Wir tun so, als wäre Geld eine begrenzte Ressource wie Öl. In Wirklichkeit ist Geld eine soziale Übereinkunft. Es besteht aus gesellschaftlich zirkulierenden Versprechen, die man freilich ganz anders organisieren könnte, als das heute der Fall ist. Leider gibt es im Moment eine Blockade der Imagination. Die Kreativität ist verloren gegangen, mit der Politiker in der Nachkriegszeit große Entwürfe wie den Wohlfahrtsstaat, die Vereinten Nationen oder das Weltraumprogramm umsetzten. Die Machteliten glauben, sie könnten das System am besten verteidigen, wenn sie die Menschen überzeugen, dass es keine Alternativen gibt.
Oft scheint es so, als mache der Finanzkapitalismus die eigentliche Natur des Kapitalismus aus. Wie ist das zu erklären?
Wir denken immer, die Finanzindustrie sei eine Art Überbau zur industriellen Basis. Erstaunlicherweise aber war dieser Überbau zuerst da: Aktienmärkte und halbstaatliche Zentralbankensysteme, die Staatsschulden aufkauften, gab es bereits Ende des 17. Jahrhunderts, während die Industrialisierung erst Mitte des 18. Jahrhunderts einsetzte. Diese Finanzinstrumente kamen nicht aus dem Nichts, sondern waren stets mit militärischen Operationen verbunden. Das Finanzsystem diente immer Eroberungsfeldzügen und der Kriegsmaschinerie von Staaten.
Aber ist das immer noch so?
Diese Kausalität gibt es immer noch. Die Vorherrschaft des Dollars zeigt das ganz deutlich. Was manche den Imperialismus der US-Staatsanleihen nennen, wurde durch die Bretton-Woods-Konferenz begründet, als die USA nach 1945 die Weltmachtrolle von Großbritannien übernahmen. Seither ist das imperiale US-System die Stütze der US-Finanzindustrie.
Wenn nun aber dieses System im Abstieg begriffen ist, bedeutet das dann auch, dass die Finanzialisierung des Kapitalismus ihren Höhepunkt überschritten hat?
Die gemäßigte Linke in den USA wird wütend, stellt man solche Verbindungen her. Aber zweifellos folgte die Krise von 2008 auf die Krise des imperialen Eroberers im Irak und in Afghanistan. Die strategische Überdehnung der US-Militärmacht, der Arabische Frühling und die Occupy-Bewegung –künftige Historiker könnten darin die erste Runde der Auseinandersetzungen über die Abwicklung des amerikanischen Empires erkennen.
Der uns im Moment bewegende Streit zwischen Sparpolitik und ausgabenbasierter Konjunkturpolitik in der Tradition von Keynes ist auch ein Konflikt zwischen Auffassungen, bei denen einerseits der substanzielle Wert des Geldes, auf der anderen Seite dessen soziale Funktion betont wird?
Man muss zunächst einem Irrtum vorbeugen: Wir können nicht zu ökonomischen Beziehungen zurückkehren, wie wir sie bis in die sechziger Jahre hatten. Der keynesianische Interessenausgleich, der den Wohlfahrtsstaat in Europa und zum Teil in den USA begründete, beruhte auf einer politischen Übereinkunft zwischen Machteliten und arbeitenden Massen. Die Systemkonkurrenz mit dem Sozialismus machte es möglich, dass Produktivitätszuwachs eine soziale Grundsicherung etablieren half. Hohe Wachstumsraten erlaubten eine relativ konfliktfreie Umverteilung des Reichtums. Der Kuchen wuchs, also konnten auch die einzelnen Kuchenstücke größer werden.
Und wie ist das heute?
Heute sind die Wachstumsraten sehr viel geringer. Aus ökologischen Gründen müssen sie das auch sein. Keynesianische Wachstumsraten von sechs oder sieben Prozent kann es also nicht mehr geben. Aber die Überzeugung von Keynes, dass Geld keine knappe Ressource ist, bildet die Grundlage des sogenannten postkeynesianischen Denkens. Damit beginnt erstmals eine ernsthafte Beschäftigung mit den realen Funktionen des Geldes im Wirtschaftsgeschehen und wird zugleich die Grundlage für eine mögliche Demokratisierung des Geldes gelegt.
Was ist darunter zu verstehen?
Wenn Geld aus einer Reihe von Versprechungen besteht, die sich Menschen gegenseitig machen, und wenn die Geldmenge nur die Menge zirkulierender Erklärungen ist, wie viel Wert wir in Zukunft produzieren möchten, dann muss darüber in einer Demokratie auch ein demokratischer Konsens hergestellt werden. Es gibt nichts Wichtigeres für eine Gesellschaft als diese Zukunftsversprechen, die wir uns gegenseitig geben. Es ist zutiefst undemokratisch, wenn nur ein Prozent der Bevölkerung darüber entscheidet. Nur durch diese Art der postkeynesianischen Neubestimmung der Natur des Geldes wird möglich sein, was ich die Demokratisierung des Geldes nenne.
Nur – was wird dann mit den Schulden, die sich über lange Perioden anhäufen und oft zu großen Krisen führen? Sind gigantische „Haircuts“, also die Tilgung aller Schulden, wirklich die Lösung?
Eine neue, wie immer auch geartete Finanzkrise ist so oder so unvermeidlich. Wer im ökonomischen Kaffeesatz lesen kann, wird das bestätigen, sofern ihn nicht persönliche Interessen daran hindern. Keines der Strukturprobleme wurde seit 2008 wirklich gelöst. Stattdessen ist es der Wall Street gelungen, die Kosten auf jene abzuwälzen, die das Problem überhaupt nicht zu verantworten haben. Die Finanzindustrie hat an den Rettungsakten außerdem prächtig verdient. Politisch ein genialer Coup: Man ruiniert die Weltwirtschaft und wird auch noch dafür bezahlt. Und was den Schuldenerlass angeht, der hat ja stattgefunden – als Schuldenerlass für die Reichen. Das sollte sich so nicht wiederholen. Was kein frommer Wunsch sein muss, wenn man anerkennt, dass wir in einer neuen Epoche leben und heute das Geld ganz anders funktioniert. Diese Erkenntnis könnte man nutzen, um ein Wirtschaftssystem zu schaffen, das allen ein besseres Leben ermöglicht.
Zeigen die Machtverhältnisse in Europa wie in den USA nicht in eine ganz andere Richtung?
Wenn ich mit Vertretern der Machteliten spreche, ist wachsende Panik spürbar. Natürlich verdrängen das viele, weil sie in den Businessschulen gelernt haben, maximal drei Jahre nach vorn zu blicken. Aber alle anderen machen sich große Sorgen. Sie erkennen, dass eine große Veränderung unvermeidlich ist und wir zugleich nicht mehr zur Reflexion fähig sind. Die wichtigsten Rechtfertigungen des Kapitalismus bestanden in seiner Fähigkeit, trotz wachsender sozialer Ungleichheit die Lebensbedingungen der Armen zu verbessern und Stabilität herzustellen. Beides trifft heute nicht mehr zu. Die einzig verbleibende Rechtfertigung ist: Es gibt keine Alternative, alles andere wäre nur noch schlimmer. Nicht einmal das Nachdenken über einen anderen Kapitalismus ist möglich. Man hält obsessiv an dieser ganz speziellen mehr oder weniger unproduktiven Form des Finanzkapitalismus fest, weil die Mächtigen Opfer ihres eigenen Erfolgs sind.
Es wurde sehr viel mehr in die Auseinandersetzung mit den Ideologien investiert als in ein nachhaltigeres kapitalistisches System. Nicht nur die Schuldenkrise, auch die ökologischen Zwänge sind nicht mehr zu übersehen. Für mich wäre ein massiver Schuldenerlass der Reset-Knopf für die Gesellschaft. Man würde zugeben: Okay, das Geld ist nicht das, was wir dachten, lasst uns von vorn beginnen.
Sie sagen, man muss Schulden machen, wenn man ein Leben leben will, das über das bloße Überleben hinausgeht. In Deutschland kollidiert das mit den Ansichten der schwäbischen Hausfrau ...
… die sparsam sein kann, weil sie ihre Regierung nicht aktiv daran hindert. In den USA ist das ganz anders. Dort gibt es diese enge Verflechtung des Staates mit den Interessen der Finanzindustrie. Dadurch ist die Verschuldung einer Mehrheit der Bürger unvermeidlich. So werden ständig neue Ausbildungsnachweise gefordert, wenn man als Apotheker oder Krankenschwester arbeiten will. Man muss teure Schulen besuchen, die man nur bezahlen kann, wenn man teure Kredite aufnimmt. Ideologisch funktioniert dieses Ideal der Sparsamkeit nach dem Modell einer absoluten Autonomie: ein isoliertes Individuum, dessen soziale Beziehungen allein durch Geld vermittelt sind und das akribisch darauf achtet, dass seine Beziehungskonten immer ausgeglichen bleiben. Das führt zu sehr reduktionistischen, emotional unbefriedigenden zwischenmenschlichen Beziehungen.
Aber auch die Vorstellung, dass wir mit unserer Geburt der Gemeinschaft – der Nation – etwas schulden und diese Schuld abtragen müssen, indem wir etwa Militärdienst ableisten, hat negative Folgen. Sie ist die Basis von Nationalismus und Krieg. Wir müssen uns also von beiden Vorstellungen zugleich freimachen.
Wie könnte das geschehen?
Die Netzwerke der zwischenmenschlichen Beziehungen, unsere Bindungen zu einem Ort, zu unseren Freunden, ja, auch zur Menschheit können und sollten nicht quantifiziert werden. Unser ganzes Leben besteht aus Versprechen, die wir anderen machen, und Verpflichtungen, die wir mit anderen eingehen und die niemals ganz eingelöst werden können. Wir schulden anderen alles, aber niemand außer uns selbst kann uns sagen, wie wir diese Schuld zurückzahlen sollen.
Sie preisen die Armen, die sich ihrem Schicksal ergeben haben und nichts mehr tun. Für Sie sind das die wahren Pioniere einer neuen Wirtschaftsordnung. Was machen sie richtig, was all die leistungsorientierten Marktakteure falsch machen?
Ich will damit bewusst eine bestimmte Arbeitsmoral herausfordern, die wir alle tief verinnerlicht haben wie etwas tief Religiöses. Sie lässt sich auf den jüdisch-christliche Glauben zurückführen, dass Arbeit eine reinigende Kraft besitzt, dass alle, die sich nicht einer Arbeitsdisziplin unterwerfen, niemals zu reifen, selbstbeherrschten Individuen werden. Diese Vorstellung geht von einer chaotischen, undisziplinierten menschlichen Natur aus. Nur die Arbeit könne uns erlösen. Das hat extrem negative Konsequenzen.
Aber welche Konsequenzen wären denn das?
Keynes sagte bereits vor 80 Jahren, dass wir alle zu Beginn des 21. Jahrhunderts nur noch vier Stunden täglich arbeiten würden. Tatsächlich könnte der technologische Fortschritt unsere Arbeitszeit in dieser Weise reduzieren. Was uns daran hindert, ist die verinnerlichte Vorstellung vom moralischen Wert der Arbeit. Angesichts der Krise werden wir gar aufgefordert, noch mehr zu arbeiten, obwohl das Einzige, was uns retten könnte, weniger Arbeit wäre. Dass sie vorübergehend den Ausstoß von Kohlendioxid verringerte, war eine der wenigen guten Seiten der Rezession von 2008. Ein großer Teil der Arbeit entsteht überhaupt erst dadurch, dass wir zu viel arbeiten. Ich provoziere bewusst, aber hier kommt noch einmal der Schuldenerlass als gesellschaftlicher Reset ins Spiel. Er würde es uns ermöglichen, die Dinge anders zu ordnen, damit eine nachhaltige Zukunft möglich wird. Warum also nicht ein genereller Schuldenerlass in Verbindung mit dem Vier-Stunden-Tag?
Der Ruf der Credit Suisse in Deutschland ist angekratzt. Die Schweizer Grossbank soll den deutschen Kunden beim Verstecken von Schwarzgeld geholfen haben. In der «Bild am Sonntag» wurde bekannt, dass sich die CS mit der Justiz in Nordrhein-Westfalen auf eine Strafzahlung von 149 Millionen Euro geeinigt hat. Die Zahlung für die aussergerichtliche Einigung erfolgte bereits im letzten Jahr.
Bildstrecken: Stellenabbau bei wichtigen Schweizer Banken
Ein Beschluss des Landgerichts Düsseldorf vom 21. November 2012 zeigt nun, wie die Schweizer Grossbank vorgegangen ist – oder um es in den Worten von «Spiegel Online» zu sagen: «Wie systematisch sich die Bank in den vergangenen Jahren um das deutsche Schwarzgeld bemüht hatte.» So wurde den Kunden beispielsweise gegen Gebühr angeboten, keine Erträgnisaufstellung nach Deutschland zu übersenden. Diese konnten nur vor Ort in der Schweiz eingesehen werden.
Berater erledigten Geldtransfer
Zudem riet die Bank laut dem Landgericht Düsseldorf ihren Kunden, keine Vermögenswerte über die Grenze zur Schweiz mitzunehmen. Angeblich wurden Termine zwischen Kunden und Bankern von der Schweiz aus in Deutschland vereinbart. Den Geldtransfer sollen die CS-Mitarbeiter selbst erledigt haben. Ferner soll die Credit Suisse über Tochtergesellschaften sogenannte Lebensversicherungsmäntel angeboten haben. Diese hätten aber keine Police im eigentlichen Sinne beinhaltet. Sie dienten in erster Linie dem Zweck, Vermögenswerte vor dem deutschen Steuerfiskus zu verheimlichen.
Wirtschaft aktuell
Zu den Verschleierungsmassnahmen gehörte etwa auch das Angebot von Nummernkonten oder den Kunden wurde geraten, zwei Konten zu führen, von denen lediglich eins gegenüber den deutschen Finanzbehörden, steuerlich deklariert wurde.
Aufgrund von sichergestellten Schulungsunterlagen schloss das Gericht zudem, wie exakt die CS-Angestellten über die rechtliche Situation in Deutschland im Bild gewesen waren. Die Devise: Sich nicht erwischen lassen. Laut dem Landgericht Düsseldorf soll ein Mitglied der erweiterten Geschäftsleitung der CS-Deutschland wissentlich die Steuerhinterziehung der deutschen Kunden gefördert haben, anstatt sie zu unterbinden.
Vorwürfe politisch motiviert?
Bei der Credit Suisse heisst es auf Anfrage: «Der Beschluss des Landgerichts enthält die altbekannten Vorwürfe, die niemals untersucht wurden und auch jeder Grundlage entbehren. Wir haben sie immer bestritten», so Sprecher Marc Dosch. Dennoch habe die Bank im September 2011 eine aussergerichtliche Einigung angestrebt, um einen für alle Beteiligten komplexen und langwierigen Rechtsstreit zu vermieden. Die Credit Suisse erachtete die Angelegenheit damals mit der Zahlung als erledigt.
Dass die Vorwürfe gerade jetzt publik werden, hat womöglich politische Gründe. Die Schweiz und Deutschland ringen noch immer um das Abkommen über die Abgeltungssteuer. Beim Landgericht in Düsseldorf werden politische Gründe bestritten: «Ein Gericht würde sich nie instrumentalisieren lassen», sagt Gerichtssprecher Dr. Michael Scholz im Gespräch mit 20 Minuten. Dass der Beschluss erst rund ein Jahr später veröffentlicht worden sei, habe mit öffentlichem Interesse zu tun. Laut Scholz hat sich ein juristischer Fachverlag im Oktober 2012 nach dem Beschluss erkundigt. Deshalb habe man veröffentlichen müssen.
Dass der Beschluss anfänglich Datum 21. November 2012 - sprich ein Jahr zu spät - publiziert wurde, sei ein bedauerlicher Fehler, heisst es beim Landgericht Düsseldorf. So oder so: Bei der Credit Suisse dürfte man über die neuerliche Aufregung um die Schwarzgeldaffären wenig Freude haben. «Die Publikation ist gegen die Abmachung mit den deutschen Behörden», sagt CS-Sprecher Dosch.
Die wohl mit Abstand beste Methode ist, das Geldsystem zu kontrollieren. Das Video bezieht sich zwar auf die USA und den Dollar, aber exakt diese Betrugsmasche läuft schon längst weltweit, auch bei uns. Die meisten Menschen merken überhaupt nicht, wie sehr sie mit dieser Masche betrogen werden, obwohl sie es jeden Tag direkt vor Augen geführt bekommen. Die Diskussion über die „alternativlosen" Bankenrettungen ist nur eines von vielen Beispielen.
Voluntaristen treten nicht für ein bestimmtes Geldsystem oder eine bestimmte Währung ein. Ob Regiowährungen, Gutscheinsysteme, Schwundgeld, goldgedecktes Geld, leistungsgedecktes Geld oder auch ungedecktes Papiergeld wie Euro oder Dollar, das ist ihnen egal. Jeder sollte aber frei entscheiden welches Geld er verwenden möchte. Das Geld, was den Menschen am meisten nützt, wird sich dann ganz von selbst durchsetzen.
Voluntaristen lehnen nur eines ganz entschieden ab: Dass ein bestimmtes Geldsystem für alle gelten soll und Andersdenkenden einfach gegen ihren Willen aufgezwungen wird.
Quelle: http://www.freiwilligfrei.de/
Um ein Feedback über diesen Artikel zu geben, schreiben Sie bitte ein e-Mail an Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!
von Günther Lachmann
Der neue IWF-Bericht will die Europäer zwingen, die Banken über den ESM mit Geld zu fluten. Stattdessen sollten es die Europäer machen wie die Isländer und den IWF davonjagen. Island erlebt seither einen unglaublichen Aufschwung.
Wieder einmal sorgt der aktuelle Bericht des Internationalen Währungsfonds (IWF) für Wirbel. Darin warnt der IWF vor einer Kreditklemme in Europa und vor einer Spaltung des Währungsraumes. Soweit die Botschaft aus Washington. Aber was steckt dahinter?
Zunächst einmal zeigt der IWF wieder einmal ganz ungeschminkt, dass er das Wirtschaftsgeschehen allein aus der Brille der großen Banken betrachtet. Und wo haben die ihren Sitz? Richtig, in den großen westlichen Industrienationen. Folglich spiegelt der IWF-Bericht in besonderem Maße deren Interessen.
Inzwischen sind 148 Staaten Mitglied im IWF. Allerdings haben nicht alle dieselben Rechte. Die ergeben sich aus der wirtschaftlichen Bedeutung der Mitgliedsstaaten. Als Kriterien gelten das Bruttoinlandsprodukt, der Außenhandel und die Währungsreserven jedes Mitgliedlandes. Danach bemisst sich das Stimmrecht des Mitgliedsstaates im Gouverneursrat, dem höchsten Entscheidungsgremium des IWF.
Mit einer Quote von 45,16 Prozent der Stimmen verfügen die sog. G-8 Staaten im Fonds über eine erhebliche Macht (USA: 17,11 Prozent, Japan: 6,14 Prozent, Deutschland 6 Prozent, Frankreich und Großbritannien: je 4,95 Prozent, Italien: 3,26 Prozent, Kanada: 2,99 Prozent, Russland: 2,75 Prozent).
Problematisch daran ist, dass der Fonds heute nicht nur in Krisenzeiten Hilfen zur Verfügung stellt (was ja durchaus den ihm zugedachten Aufgaben entspricht), sondern sich auch mehr und mehr an der längerfristigen Entwicklungsfinanzierung beteiligt – und so massiv in die Politik der betroffenen Staaten eingreift (Strukturanpassung).
Das aber werde die Realwirtschaft in den Krisenländern noch weiter schwächen, folgern die IWF-Volkswirte vollkommen richtig. Und damit diese Drohung ihre Wirkung auch nicht verfehlt, wird sie mit einer pessimistischen Konjunkturprognose unterlegt. Demnach wird die Euro-Wirtschaft um 0,4 Prozent schrumpfen.
Was der IWF den Europäern da präsentiert, ist letztlich nichts weiter als ein Erpresserbrief. Übersetzt heißt die Botschaft nämlich: Entweder, ihr braven Steuerzahler setzt jetzt ganz schnell den ESM in Kraft, damit dieser neue Liquidität in die Finanzkanäle pumpt, oder bei Euch gehen die Lichter aus.
Die Wahrheit ist, weil die Europäer in den vergangen zwei Jahren nichts anderes getan haben, als in den Südstaaten brutal zu sparen und das Finanzsystem mit Geld zu fluten, gehen die Lichter aus. Sie sollten sich vom IWF nicht einschüchtern lassen und es machen wie die Isländer. Die jagten den IWF davon, kümmerten sich um ihre Wirtschaft und überließen die Banken sich selbst – was einige nicht überlebten. Aber dafür erlebt das Land gerade einen kräftigen wirtschaftlichen Aufschwung. Im laufenden Jahr erwartet die Regierung ein Wachstum von 2,8 Prozent. 2014 soll der Staatshaushalt wieder im Plus liegen.
„Die Bedeutung des Geldes liegt darin“, meint Georg Simmel 1907 in seiner Philosophie des Geldes, „dass es fortgegeben wird; sobald es ruht, ist es nicht mehr Geld seinem spezifischen Wert und Bedeutung nach.“ Geld wandert von Einem zum Andern, versetzt Dinge und Menschen in Bewegung, es entfaltet eine Dynamik, die in metaphorischen Bildern vom Geld als Blutkreislauf und Nerv der Welt zum Ausdruck kommt.
Historische Beispiele für die Rolle des Geldes als Motor der ökonomischen Entwicklung wie auch der gesellschaftlichen Integration sind die Weltreiche der Antike. Beide, Griechenland und Rom, verfügten über hoch entwickelte Geldsysteme, die das Fundament ihrer wirtschaftlichen Vormachtstellung bildeten und – bei fortschreitender Monetarisierung der Gesellschaft – auch die kulturellen und sozialen Beziehungen beeinflussten.
Der Aufstieg der griechischen Handelsstädte im 5. Jahrhundert v. Chr. ging Hand in Hand mit der Entwicklung neuer monetärer Mittel. Zwar lässt sich der Gebrauch von Geld in Form von Barren in Mesopotamien und Ägypten bis ins 3. Jahrtausend v. Chr. zurückverfolgen. Zahlungsmittel waren in diesen hoch entwickelten Kulturen insbesondere Getreide und Silber, das ab dem 7. Jahrhundert v. Chr. auch in Form von Münzen umlief, und es existierte ein von König und Tempelhütern festgesetzter Gewichts(Silber)-Standard. Neu am Geldsystem der griechischen Stadtstaaten war, dass die Münzen nach ihrem Nominalwert akzeptiert wurden. Dieser war höher, als der Wert der Barren, aus denen die Münzen geprägt wurden.
Um die Überbewertung des Edelmetalls (Silbers) glaubhaft zu machen, bedurfte es erstens einer Regelung des Geldwesens durch eine starke rechtliche Autorität und zweitens einer entsprechenden wirtschaftlichen Attraktivität des ausgebenden Staates. Beides hat Athen in ausreichendem Maß besessen. Der Einführung einer neuen Silberwährung nach dem attischen Münzfuß durch König Solon Anfang des 6. Jahrhunderts v. Chr. waren tief greifende Rechtsreformen vorausgegangen. Auf einen Zusammenhang zwischen Recht und Münzprägung deutet auch die griechische Bezeichnung für Münzwesen – nomisma. Sie weist den gleichen Wortstamm auf wie der Begriff für Gesetz – nomos. Zur Belebung des Geldwesens unter der Herrschaft Solons trugen darüber hinaus die Förderung von Handel und Gewerbe und der Aufschwung des Silberbergbaus bei. Die attischen Münzen, seit der Herrschaft Peisistratos (560 bis 527 v. Chr.) mit der sprichwörtlichen Eule als Wappentier, wurden zum Symbol der neuen Währungsmacht und fanden als Handelsmünze im gesamten Mittelmeerraum Verbreitung.
Im 5. Jahrhundert v. Chr. begannen zahlreiche andere griechische Städte mit der Münzprägung. Ein Grund dafür mag der Gewinn gewesen sein, den sie aus der Herstellung der Münzen und der Überbewertung des dafür verwendeten Silbers zogen. Münzen setzten sich rasch als gebräuchliche Form des Geldes durch. Nach den Schriften des Historikers Thukydides bildeten Silbermünzen den überwiegenden Teil des Tempelschatzes der Athene auf der Akropolis, auf den die Stadt in Krisenzeiten zurückgreifen konnte (in solchen Situationen wurden sogar die goldenen Kultstatuen eingeschmolzen). Auch für alltägliche Transaktionen wurde Münzgeld verwendet, vorwiegend kleine Silbermünzen, gelegentlich auch Kupfergeld, das man – den Dramen Aristophanes zufolge – im Mund mit sich trug.
Münzgeld benötigten in dieser Zeit selbst jene Stadtstaaten, die – aus Silbermangel oder anderen Gründen – keine Münzen prägten, wie Sparta, das seinen männlichen Bürgern den Besitz von Münzgeld und Silber verbot und stattdessen Eisenstäbe, so genannte Oboli, als Zahlungsmittel verwendete. Dennoch musste es für seinen Kampf gegen Athen den persischen König um finanzielle Unterstützung in Form großer Summen von Münzgeld bitten.
Welche Impulse für die gesamte Gesellschaft von einem funktionierenden Geldwesen ausgingen, zeigt das Beispiel Alexander des Großen (336 bis 323 v. Chr.). Ihm gelang es, durch monetäre Reformen die Voraussetzungen für eine wirtschaftliche Integration von Orient und Mittelmeerraum zu schaffen und so die militärischen Erfolge zu vertiefen. Er vereinheitlichte das Finanzwesen und führte im gesamten Herrschaftsgebiet den attischen Münzfuß ein. Mit den in Persien erbeuteten Edelmetallschätzen verfügte Alexander über genügend Ressourcen, um in bis dahin nie erreichter Menge Geld zu prägen. Die Existenz einer einheitlichen Währung mit festen Wechselkursen begünstigte den wirtschaftlichen Austausch und bildete die Grundlage für die Entstehung eines Welthandelsgebietes. Die griechischen Münzen setzten sich als eine Art Weltwährung durch, die nicht nur den Römern als Vorbild diente, sondern durch die Verbreitung keltischer Kopien über den Balkan bis weit in das westliche Europa nach Gallien und Britannien wirkte.
Die rasche Monetarisierung der griechischen Gesellschaft führte zur Entstehung neuer, auf spezifische Bedürfnisse ausgerichteter Geldinstrumente. Ende des 5. Jahrhunderts sind erste Vorläufer von Banken in Athen nachweisbar. Dabei handelte es sich um Geldwechsler und Pfandleiher, die ihre Tätigkeit an Tischen auf den Marktplätzen ausübten. Ihre Kundschaft waren vor allem fremde Händler und Kaufleute, die für ihre Geschäfte heimisches Geld benötigten. Die Bankinhaber arbeiteten auf eigenes Risiko und waren keinen rechtlichen Regelungen unterworfen. Sie nahmen auch Geldeinlagen entgegen, bezahlten dafür aber keine Zinsen. Ihre Leistung bestand offenbar darin, ein sicheres Depot zur Verfügung zu stellen. Eher selten war die Vergabe von Krediten, für die in der Regel 12 Prozent Zinsen pro Jahr berechnet wurden.
Voraussetzung für das Funktionieren eines monetären Systems ist das Vertrauen in den Wert und die Stabilität des Geldes. Vorteil des unter staatlicher Hoheit stehenden Münzgeldes war, dass die ausgegebene Menge kontrolliert werden konnte. Zugleich aber war dieses System anfällig für Manipulationen. Um Sicherheit zu gewährleisten und ihre Reputation als Währungsmacht aufrecht zu erhalten, mussten die ausgebenden Staaten wiederholt zu drastischen rechtlichen Sanktionen greifen.
Zu einer ersten inflationären Entwicklung kam es nach dem Peloponnesichen Krieg (431 bis 404 v. Chr.), als Athen auf die wachsende Konkurrenz der korinthischen Währung mit der Ankurbelung der Silberproduktion reagierte, ohne sich der Gefahren einer rasch steigenden Geldmenge bewusst zu sein. Ein Problem stellten in dieser Zeit Münzfälschungen in großem Stil dar. Athen verhängte strenge Strafen für dieses Vergehen und seit 375 v. Chr. gab es eine gesetzliche Regelung für die Prüfung der Echtheit und der Güte von Münzen durch öffentliche Sklaven. Geldentwertung, die Erfahrung steigender Preise und soziale Unruhen begleiteten auch den Niedergang der hellenistischen Staatenwelt seit dem Ende des 3. Jahrhunderts v. Chr.
Das römische Geldwesen erfuhr erst mit dem Aufstieg Roms zur führenden Macht im Mittelmeerraum um 200 v. Chr. einen kräftigen Entwicklungsschub. Bis dahin besaß Rom ein wenig ausgebildetes monetäres System, das für die Bedürfnisse einer regionalen Wirtschaft zwar ausreichte, nicht aber für die finanziellen und administrativen Anforderungen eines Großreiches.
Die ersten vier Jahrhunderte nach der Gründung Roms (753 v. Chr.) fungierten Rohkupfer (Aes rude) und dann gewogene Bronzebarren (Aes signatum) mit Bildern oder einer Aufschrift als Geld. Für bestimmte Güter diente auch Kleinvieh als Wertmaß. Der lateinische Begriff für Geld – pecunia – leitet sich von dem für Kleinvieh – pecus – ab, was als Indiz dafür interpretiert wird, dass die ersten Formen von Geld in Rom Kühe und Schafe gewesen seien. In den Quellen sind aber häufiger Bronzebarren als Zahlungsmittel erwähnt.
Da Kupfer billig war, mussten relativ große Gewichtseinheiten – meist in Form von Stangen oder Platten – verwendet werden. Hohe Summen, wie etwa das Vermögen eines römischen Senators, konnten wegen des großen Gewichts nur in Karren transportiert werden. Auch das „stipendium“, das die Legionäre der römischen Armeen ab dem 4. Jahrhundert v. Chr. als Entlohnung erhielten, wurde vermutlich in Bronzebarren bezahlt.
Münzen wurden erstmals um 300 v. Chr. geprägt. Neben dem Kupferschwergeld „Aes grave“, das auf der Vorderseite einen Januskopf und auf der Rückseite den Bug eines Schiffes zeigte, begann in dieser Zeit die Silberprägung nach dem Vorbild der griechischen Städte in Süditalien. Der hellenistische Einfluss auf das römische Geldwesen wuchs, als Rom nach dem Sieg über den griechischen König Pyrrhus (275 v. Chr.) seine Position als mediterrane Macht festigte und sich die Errungenschaften des griechischen Kulturraumes zu Eigen machte. Die Beute aus den eroberten Gebieten, zu der auch die Erträge der Silberminen von Bruttium (heutiges Calabrien) zählten, stärkten die römische Wirtschaft und bildeten die Grundlage für den Ausbau der Silberprägung.
Die Punischen Kriege (264 bis 241 und 218 bis 201 v. Chr.) führten zu einer weiteren Ausdehnung des römischen Einflussbereiches, der sich nun über das gesamte Mittelmeer erstreckte. Sie bewirkten einen nachhaltigen Wandel der inneren, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Struktur des römischen Staates. So etwa bildete die Kriegsproduktion während des zweiten Punischen Krieges den Ausgangspunkt für die Sklavenwirtschaft, die in der Folge auch auf den Latifundien eingeführt wurde. Kostspielige Kriegführung und die Verwaltung der neuen Provinzen trieben den finanziellen Staatsaufwand in bis dahin unbekannte Höhen. Zur Deckung des Bedarfs wurden die beschlagnahmten Reichtümer aus den eroberten Gebieten herangezogen und eine rigorose Besteuerung durchgeführt. Die monetären Grundlagen für die wirtschaftliche Hegemonie Roms im Mittelmeerraum schuf die Reform des Münzwesens im Jahr 212 v. Chr.. Sie legte ein einheitliches, auf fixen Relationen beruhendes System von Silber- und Bronzemünzen fest. Die wichtigsten der nach griechischen Vorbildern gefertigten Münzen waren das Bronze-As und der Silber-Denar, dessen Name (Zehner) sich aus seinem Wert von 10 Assen ableitete. Die Kontrolle über das Münzwesen übte der Senat im Namen des römischen Volkes aus.
Verglichen mit Griechenland hatte sich das römische Geldwesen relativ spät entwickelt. Im 2. Jahrhundert v. Chr. kam es jedoch zu einer raschen Monetarisierung der römischen Gesellschaft, die mit einem merkbaren Anstieg des Geldumlaufes einherging. Welche Bedeutung Geld im Alltag der unter römischem Einfluss stehenden Gebiete hatte, dokumentieren unter anderem die zahlreichen Hinweise auf Geldtransaktionen im Neuen Testament: Der angemessene Tageslohn für die Arbeit bei der Weinernte wird hier mit 1 Denar beziffert, eine Barschaft von 10 Denaren gilt bereits als hoher Betrag. Für die Verpflegung von 5000 Leuten mit Brot benötigte man 200 Denare.
Durch die Eroberung der Provinzen kam Rom zu unermesslichem Reichtum. Die Beute aus den Kriegszügen und der Ertrag der Steuern, die den besetzten Gebieten auferlegt wurden, füllten die Kassen der antiken Metropole. Mit einer geschickten Politik der Koexistenz gelang es den römischen Eroberern, bestehende finanzielle und administrative Einrichtungen der Provinzen für eigene Zwecke zu nutzen. Das galt auch für regionale monetäre Systeme, deren Fortbestand neben dem römischen Geld akzeptiert wurde. Diese Münzen verschwanden aber infolge der zusehenden Verarmung der Provinzen nach und nach aus dem regionalen Geldverkehr und wurden durch römisches Geld ersetzt, wie zum Beispiel die Silbermünzen Athens Mitte des 1. Jahrhunderts v. Chr.
Der enorme Reichtum wird häufig als Ursache für den moralischen Verfall der römischen Gesellschaft und den Bürgerkrieg im 1. Jahrhundert v. Chr. gesehen. Riesige Einnahmen aus den eroberten Gebieten erlaubten den römischen Besatzern einen verschwenderischen Umgang mit den Ressourcen. Die meist aus dem Kreis der vornehmsten Patrizierfamilien stammenden Verwalter der Provinzen (Propraetoren und Prokonsuln) führten mit dem angehäuften Vermögen ein Leben in Luxus und Überfluss und sie nutzten es, um ihren politischen Einfluss zu erweitern. Wer über große Summen verfügte, konnte öffentliche Ämter erwerben und die Armee zur Erhaltung seiner Macht bezahlen. Die Gunst des Volkes erkaufte man sich mit Spielen und Geschenken.
Julius Caesar requirierte auf seinen Eroberungszügen in Gallien, Germanien, Südengland, Afrika und Ägypten ein außerordentliches Vermögen, das er für die Finanzierung seiner politischen Pläne einsetzte. Großzügig zeigte er sich bei seiner triumphalen Rückkehr nach Rom 46 v. Chr., als jeder einfache Soldat 200, jeder Centurio 400 und die Kriegstribunen je 800 Goldmünzen erhielten. Für die Auszahlung gab Caesar umfangreiche Goldprägungen in Auftrag. Diese, auch im darauf folgenden Jahr fortgesetzten Prägungen, bildeten die Geburtsstunde der römischen Goldmünze, des Aureus (mit einem Gewicht von 8,19 Gramm). Unter Augustus (27 v. Chr. bis 14 n. Chr.) wurde sie wenige Jahre später in das römische Währungssystem eingebunden.
Augustus – der eigentliche Sieger des Bürgerkrieges – reorganisierte den römischen Staat und stellte das Münzwesen auf eine neue Grundlage. Die neue Münzordnung legte Gold und Silber als Währungsmetalle fest und setzte sie in eine fixe Relation von 1:12,5 zu einander. Auch die Kupfermünzen – Sesterz, Dupondius, As und Quadrans – wurden auf einen neue Basis gestellt und in ein festes Wertverhältnis zu den Währungsmünzen gebracht (1 Aureus = 25 Denare = 100 Sesterzen = 400 Asse). Die Ausgabe der Gold- und Silbermünzen ging in das alleinige Recht des Herrschers (Pontifex Maximus) über, lediglich die Kupferprägung in der Münzstätte Rom verblieb beim Senat. Die imperiale Ausrichtung des Geldes spiegelte sich bereits unter Caesar im Münzbild, das nun an Stelle des Signums gewählter Beamter den Herrscher oder seine Familie zeigte.
Die Aufnahme einer regelmäßigen Goldprägung steht, ebenso wie die außerordentliche Höhe der Münzproduktion, für ein Geldsystem, das sich dank anhaltender wirtschaftlicher Prosperität auf einer sehr hohen Entwicklungsstufe befand und über lange Zeit stabil gehalten werden konnte. Ein Großteil der enormen Ausgaben des römischen Imperiums wurde für militärische Zwecke verwendet. Mit den Soldaten und den unternehmerischen Aktivitäten der Armee gelangte das Geld bis in die entlegensten Winkel des riesigen Reiches. Außerhalb der Grenzen des Reiches wurden Aureus und Denar zu den Hauptgeschäftsmünzen, so etwa in Germanien und Skandinavien, aber auch in Indien, wo große Mengen römischer Goldmünzen umliefen.
Der große Erfolg des römischen Geldes, das in der gesamten antiken Welt als Zahlungsmittel akzeptiert wurde, hatte auch Schattenseiten. Die hohen Ausgaben Roms für Luxusimporte führten zu einem starken Abfluss an Edelmetallen. Hinzu kam Mitte des 2. Jahrhunderts eine wachsende Beanspruchung der Ressourcen für die Finanzierung der Abwehr der aus dem Osten und Norden vordringenden Völker. Mit der Erweiterung der Geldproduktion bei knapper werdenden Edelmetallvorräten begann sich der Silbergehalt der Münzen, der über Jahrhunderte relativ stabil geblieben war, allmählich zu verringern. Erstmals setzte Kaiser Nero (54 bis 68) das Gewicht des Aureus (von den 7,96 Gramm der augusteischen Münzordnung auf 7,29 Gramm) herab und auch das des Denars, dem nun bis zu 10% unedles Metall beigemengt wurden. Der Silbergehalt des Denars sank in den folgenden beiden Jahrhunderten, wenngleich geringfügig, so doch kontinuierlich. In der zweiten Hälfte des 3. Jahrhunderts beschleunigte sich der Verfall des Geldes dramatisch. Zur Zeit Aurelian’s (270 bis 275) betrug der Silberanteil des Denars nur noch 2%.
Eine der Ursachen für die Krise des römischen Geldsystems im 3. Jahrhundert n. Chr. lag im augusteischen System der festen Bindung der Metalle zueinander. Dieses entsprach nicht den realen Wertverhältnissen und führte, indem es die Abwanderung unterbewerteter Münzen begünstigte, zu einer sukzessiven Unterhöhlung der römischen Währung. Ein Versuch Caracallas im Jahr 212, die Wertverschiebung im Verhältnis von Gold und Silber mit der Herabsetzung des Goldpfundes und der Einführung einer neuen Silbermünze, des so genannten Antoninian (eines Doppeldenars mit rd. 5,1 Gramm), zu berichtigen, war gescheitert.
Zudem wirkten sich die unsicheren politischen Verhältnisse negativ auf das monetäre System aus. Die Abwehr separatistischer Bestrebungen der Provinzen und ständige Bürgerkriege nach dem Ende des severischen Herrscherhauses 235 n. Chr. erforderten hohe Summen und beeinträchtigen das wirtschaftliche Leben. Gleichzeitig verlor Italien durch die Entwicklung eigenständiger wirtschaftlicher Großräume in den Provinzen seine Absatzmärkte. Dennoch lief die Münzproduktion, um den außerordentlich hohen Geldbedarf des Reiches zu befriedigen, auf Hochtouren. Die Folge waren eine Wertverminderung des Geldes und steigende Preise, mit all den sozialen und wirtschaftlichen Konsequenzen einer Inflation. Geldvermögen wurden entwertet, Dinge des alltäglichen Lebens verteuerten sich um ein Vielfaches, die Kaufkraft des Geldes sank. Besonders betroffen waren Soldaten und Beamte: Anstelle der ursprünglich relativ hohen Geldbeträge erhielten sie ihren Sold nunmehr häufig in Form von Waren. Auch die Bauern litten unter den Preissteigerungen, da sie ihre Überschüsse auf den Märkten nicht mehr absetzen konnten. Spekulanten nutzen die Gelegenheit, um Waren günstig aufzukaufen und sie später teurer wieder zu verkaufen.
Die wiederholten Bestrebungen zur Reorganisation des Währungswesens zeitigten nur begrenzten Erfolg. Kaiser Aurelian’s (270 bis 275) Maßnahmen zur Wiederherstellung des alten Münzfußes provozierten 273 einen Aufstand der Münzer in Rom, die um ihre Privilegien fürchteten. Wie heftig dieser Konflikt war, zeigt die Tatsache, dass bei der Niederschlagung der Revolte 7000 Soldaten den Tod fanden.
Einen neuerlichen Versuch der Währungsstabilisierung unternahm 20 Jahre später Diocletian (284 bis 305). Er hob das starre Wertverhältnis der Währungsmetalle zueinander auf und erhöhte den Münzstandard für Goldprägungen. Der Preis der Goldmünzen richtete sich nun nicht mehr nach der Relation zum Silber, sondern nach dem Wert ihres Goldgewichts. Er konnte sich also, je nach Marktpreis des Edelmetalls, ändern. Goldmünzen wurden gehandelt wie Barren oder Schmuck, die nun wieder die Funktion von Geld annahmen. Dem Verfall der Silber- und Kupfermünzen versuchte Diocletian mit der Neuausgabe einer vollwertigen Silbermünze, des Argenteus, und der Einführung einer neuen Kupfermünze, des Follis, gegenzusteuern. Gleichzeitig hoffte er, durch Festlegung von Höchstpreisen die Inflation zu stoppen. Die Verordnung aus dem Jahr 301 umfasste Dinge des täglichen Bedarfs ebenso wie Löhne und Gehälter: 1 Pfund (ca. 325 Gramm) Rindfleisch sollte höchstens 8 Denare kosten, der Tageslohn eines Landarbeiters war mit maximal 25 Denaren begrenzt, der eines Bäckers mit 50 Denaren; für das Schreiben von 100 Zeilen durften nicht mehr als 20 Denare verrechnet werden. Das Preiserdikt erwies sich aber als ungeeignetes Instrument zur Eindämmung der Inflation, da es an Stelle von Preissenkungen nur dazu führte, dass alle, auch die günstigeren Preise auf das gesetzlich festgelegte Höchstniveau angehoben und die Waren auf dem Schwarzmarkt gehandelt wurden. Das Experiment einer gelenkten Wirtschaft schlug fehl.
Mehr Erfolg bei der Neuordnung des Geldwesens hatte Konstantin der Große (306 bis 337). An Stelle des aus dem Verkehr verschwundenen Aureus führte er den Solidus ein, eine neue Goldmünze mit einem Gewicht von 4,55 Gramm, die nun die Grundlage des Währungssystems bildete. Diese Münze setzte sich rasch durch. Sie wurde in großen Mengen ausgeprägt und bildete auch nach der Teilung des römischen Reiches 395 in eine östliche und eine westliche Hälfte das Fundament für das spätantike und byzantinische Währungssystem.
Binio (= doppelter Aureus),
Aurelian (270 bis 275), Siscia
Aber selbst Konstantin gelang es nicht, den Zerfall des römischen Geldsystems aufzuhalten. Da der Wert der Goldmünzen vom Preis des Rohmetalls abhängig war und daher steigen konnte, waren die Silber- und Kupfermünzen einem noch stärkeren inflationären Druck ausgesetzt. Trotz wiederholter Anpassung und Neuausgabe der Münzen im Laufe des 4. Jahrhunderts, konnte die Entwertung insbesondere des Kupfergeldes nicht gestoppt werden. Der Verlust des Vertrauens in das völlig entwertete Geld ließ den Tauschhandel wieder aufleben, eine Entwicklung, die durch die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Veränderungen im Laufe des 3. und 4. Jahrhunderts noch verstärkt wurde. Politische Unsicherheit behinderte nicht nur den Fernhandel, auch der lokale Handel war stark beeinträchtigt. Der wirtschaftliche Schwerpunkt verlagerte sich von der Stadt, die für Viele keine ausreichende Lebensgrundlage mehr bot und in der oft anarchische Zustände herrschten, auf das Land. Die Geldwirtschaft verlor an Bedeutung.
Bis zum Zusammenbruch des Weströmischen Reiches im Jahr 476 blieben neben dem weiter im Mittelmeerhandel dominierenden Goldsolidus nur geringe Mengen an Silbermünzen im Umlauf. Über den endgültigen Niedergang des Geldwesens im Westen gibt es verschiedene Theorien. Eine der Ursachen war die rapide Abnahme der Edelmetallbestände durch Abnutzung und Abwanderung des Münzbestandes in den Osten, eine weitere die Konzentration von Vermögen in der Hand der christlichen Kirche, die einen Gutteil des verfügbaren Reichtums an sich ziehen konnte und für die Errichtung von Klöstern und Kirchen verwendete. Auch der Verlust politischer und finanzieller Kontrolle durch fehlenden sozialen Zusammenhalt wird als Grund für den monetären Verfall genannt. Unumstritten ist, dass in der Blütezeit des römischen Geldwesens der Gebrauch von Geld eine Intensität erreichte, wie sie in Europa erst viele Jahrhunderte später wieder der Fall sein sollte.